Full text: Lesebuch für die Oberklassen katholischer Volksschulen

95 — 
Luise führte die Mutter an ein Fenster und sagte leise 
Blicke einmal in die Höhe!“ Die Mutter that es und sah 
oben am Dache ein Schwalbennest, aus dessen Oeffnung vier 
Schnäbelchen herausgestreckt waren und vier Paar Aeuglein her⸗ 
ausblickten. 
„Nun gib Acht!“ rief das Kind. 
Die Mutter gab Acht und sah eine Schwalbe eiligst herbei⸗ 
fliegen, die trug eine Fliege im Schnabel und legte sie schnell in 
das geöffnete Schnäbelchen des einen jungen Vogels, flog hinweg 
und kam wieder und nochmals und abermals. Und jedesmal 
brachte sie eine Fliege mit und legte sie der Reihe nach in einen 
der vier offenen Schnäbel. Nun waren alle vier gefüllt. Die 
Jungen zwitscherten fröhlich, und die alte Schwalbe flog hoch in 
die Luft und zwitscherte hell und lustig darein. 
„Ist dies nicht niedlich zu sehen?“ fragte das Kind. 
„Ganz gewiß,“ sagte die Mutter, es gefällt mir sehr. Es 
kommt mir gerade so vor, als wenn ihr, du und die Brüder und 
Schwestern, des Morgens oder Mittags um den Tisch her sitzet.“ 
„Und du gibst uns Speise, liebe Mutter!“ fällt Luise ein. 
„Ja,“ fuhr die Mutter fort, „und ihr seid dann auch so 
fröhlich dabei, wie die Schwalben hier!“ 
„Es ist doch recht gut,“ sagte Luise, daß die lieben Schwalben 
eine so gute Mutter haben, die ihnen Mückchen bringt, daß sie 
nicht verhungern, und die ihnen ein kleines Häuschen gebaut hat, 
in dem sie wohnen. Wer hat ihnen gesagt, daß sie das thun 
sollen ?“ 
„Der liebe Gott hat es ihnen in ihr kleines Herz gegeben,“ 
sprach die Mutter. „Der liebe Gott will, daß es allen seinen 
Geschöpfen wohl ergehe, dem Menschen und der Schwalbe und 
jedem Thierchen.“ 
15. Gute Rechnung. 
Mach Wilhelm Fir.) 
Der alte Vetter klopfte an's Fenster, nickte freundlich in 
die Stube hinein, und als die Kinder fröhlich an's Fenster kamen, 
sagte er: „Ich bringe euch etwas aus meinem Garten, goldgelbe 
Pflaumen, groß wie die Eier; aber ich habe nur vier, und ich 
möchte doch sehen, ob ihr euch ordentlich darin theilen könnt.“ 
Es waren aber zwei Knaben, zwei Mädchen und die Mutter, und 
sollten also vier Pflaumen unter fünf Leute getheilt werden. Das 
war eine schlimme Rechnung, und der Vetter schaute lächelnd zum 
Fenster hinein, wie es die Kinder wol anfangen möchten. Alle 
besannen sich, aber nur die kleine Sophie wußte Rath. „Das
	        
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