Full text: Lesebuch für die Oberklassen katholischer Volksschulen

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dieser Gelegenheit einen deutschen Soldaten an, der weder sein 
Gewehr ergriff, noch präsentirte, sondern unbeweglich da stand. 
„Kennst du mich nicht, mein Sohn?“ redete der General den 
Soldaten an; „oder warum beobachtest du deine Pflicht nicht?“ — 
Der Soldat erwiederte: „Ich kenne Sie, Herr General, und 
meine Pflicht sehr gut; aber so eben sind mir zwei Finger an 
der rechten Hand abgeschossen worden; daher bin ich nicht im 
Stande, das Gewehr zu halten.“ — „Warum gehst du denn 
nicht, dich verbinden zu lassen?“ fuhr Elliot fort. — „Weil es 
in Deutschland,“ antwortete der Soldat, „nicht erlaubt ist, seinen 
Posten eher zu verlassen, als bis man abgelöst wird. — Da 
stieg der General augenblicklich vom Pferde und sagte: „Gibh 
mir dein Gewehr und deine Patrontasche, ich will dich ablösen, 
damit du dich verbinden lassen kannst!“ 
Der Soldat gehorchte, ging aber zuvor zur nächsten Wache, 
zeigte an, daß der General auf dem Posten stehe, und ließ dann 
erst seine verstümmelte Hand verbinden. Da er zu ferneren 
Kriegsdiensten nicht mehr tüchtig war, wurde er verabschiedet und 
erhielt von dem General ein ansehnliches Geschenk. Als er in 
der Hauptstadt von England ankam, wohin der General den 
Vorfall berichtet hatte, verlangte ihn der König Georg zu sehen. 
Da er ihm vorgestellt wurde, unterredete er sich mit ihm, bescheukte 
ihn königlich und ernannte ihn zum Offizier. 
100. Der gute Kamerad. 
Eudwig Uhland.) 
„Ich hatt' einen Kameraden, 
Einen bessern find'st du nit. 
Die Trommel schlug zum Streite, 
Er ging an meiner Seite 
In gleichem Schritt und Tritt. 
Will mir die Hand noch reichen, 
Derweil ich eben lad'. 
„Kann dir die Hand nicht geben, 
Bleib' du im ew'gen Leben, 
Mein guter Kamerad.“ 
Eine Kugel kam geflogen: 
Gilt's mir, oder gilt es dir? 
Ihn hat es weggerissen; 
Er liegt mir vor den Füßen, 
Als wär's ein Stück von mir. 
101. Der gute Kamerad. 
Mach Franz Linnig.) 
Zwei Freunde, Georg und August, die zusammen aufgewachsen, 
zusammen in die Schule gegangen und zu gleicher Zeit in das 
Heer eingetreten waren, hatten das Glück, auch im letzten Kriege 
als treue Gefährten und Nebenmänner in den Kampf zu ziehen.
	        
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