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11. Auf des Mannes hoher Stirne glänzen blut'gen Schweißes Tropfen;
Wohl nicht von des Weges Mühe mag so bang' das Herz ihm klopfen;
Bleich zum Tod das schöne Antlitz. Petrus, kennst du die Gestalt?
Schon einmal vor deinen Augen ist sie also hingewallt.
12. Grüßend neigt er sich zum Jünger; seiner Augen helle Sonnen
Sind von eines stillen Grames Regenwolken mild umronnen;
Fest nun ruhn sie auf dem Flüchtling. Petrus, kennst den Blick du nicht?
Schon einmal rief er dich Schwachen wieder zur vergess'nen Pflicht.
13. Ja, das ist der Herr! So stand er vor dem ungerechten Heiden,
So blieb still und klar sein Antlitz mitten in den wilden Leiden.
Und der Jünger sinkt zur Erde; doch das Herz läßt ihm nicht Ruh',
Und er ruft: „Mein Herr und Heiland, rede, wohin gehest du?“
14. Und der Heiland spricht, das Auge unverwandt auf ihn gerichtet,
Mit dem Blick, der an der Tage letztem Falsch und Wahrheit sichtet:
„Meine Kirche steht verödet, meine Treuen sind verirrt. —
Zu der Stadt ist meine Straße, wo man neu mich kreuz'gen wird!“
15. Und der Herr verschwand; doch eil'ger, als er erst den Tod geflohen,
Flieht der Jünger jetzt das Leben, dem des Meisters Blicke drohen.
Schnell den Lauf zurückgewendet! Über Hellas graut es schon;
Neros goldnes Haus erglänzet bald als goldner Sonnenthron.
16. Und die Sonne, die jetzt Freuden ausgießt über allen Landen,
Trifft die Christen laut noch jubelnd, den Apostel doch in Banden.
Lauter weinend sah sie jene, als sie wieder sank zuthal;
Doch ein selig sterbend Antlitz traf am Kreuz ihr letzter Strahl.
G. Kintkel.
10.
124. Der gerettete JZüngling.
Eine schöne Menschenseele finden
Ist Gewinn; ein schönerer Gewinn ist
Sie erhalten, und der schönst' und schwerste,
Sie, die schon verloren war, zu retten.
Sankt Johannes, aus dem öden Patmos
Wiederkehrend, war, was er gewesen,
Seiner Herden Hirt. Er ordnet' ihnen
Wächter, auf ihr Innerstes aufmerksam.
In der Menge sah er einen schönen
Jüngling; fröhliche Gesundheit glänzte
Vom Gesicht ihm, und aus seinen Augen
Sprach die liebevollste Feuerseele.
„Diesen Jüngling,“ sprach er zu dem Bischof,
„Nimm in deine Hut! Mit deiner Treue