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nur durch eine Brücke mit dem Speicher, auf den er dadurch
mit Pferd und Wagen gelangen kann. Ist eine natürliche
Erhöhung nicht vorhanden, so muß die erhöhte Zufahrt
künstlich hergestellt werden, indem ein Damm aufgeworfen
wird. Während nun die Mutter mit ihren Kindern in den
holzgetäfelten, niedrigen Stuben sich bewegt und wirtschaftet,
führt der Vater über den Köpfen der Seinigen die Pferde
am Zaume und bringt die Ernte auf dem Wagen ein.
Diese Brücke am Hause dient außerdem als Dach bei
Hantierungen, die im Freien vorgenommen werden. Unter
ihr sägt und spaltet der Schwarzwälder sein Holz, das
rings um das Haus an trocknen Stellen aufgesetzt wird.
Da steht wohl auch eine Schnitzbank, auf der gar manches
Haus- und Ackergerät von kundiger Hand verfertigt oder
wenigstens wieder ausgebessert wird.
In der Nähe des Hauses fehlt selten eine kleine Kapelle
oder ein Kruzifix.
Gewiß aber steht „der beste Mann im Ort“ gleich beim
Hause und verläßt nicht seinen Posten.
Wer kennt den besten Mann im Ort?
Ja, der gemütliche, immer freundlich plaudernde Brunnen
ist es, der hier Mensch und Tier stets neu erfrischt, an
dessen Trog die Kleinen stundenlang spielen, wo im Vorüber¬
gehen alt und jung sein kurzes Zwiegespräch hält. Das
Pferd kommt selten an ihm vorbei, ohne einen kräftigen Zug
zu tun; auch der Spitz, der treue Wächter des Heimwesens,
steigt zu ihm hinab, und das Rotschwänzchen schwingt sich
vom gastlichen Dache herab, um sich an dem Brunnen zu
laben. Die Wäsche, die dort in den äußeren Gängen des
Hauses aufgehängt ist, wurde hier gewaschen, und die
Küchenkräuter, die in dem Hausgärtchen gedeihen, wurden
vom besten Mann am Hause getränkt.
Außer diesem besten Mann im Ort bilden gewöhnlich
noch einige stattliche Tannen die vertrauten Nachbarn am
Hause.
Deutsches Lesebuch. Ausgabe S. Zweiter Teil.
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