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des heiligen Petrus im Siebengebirge verließ, um sich auf den
rauhen Höhen des Westerwaldes eine neue Heimat zu suchen.
Burggraf Eberhard von Arenberg hatte mit Zustimmung seines
Lehnsherrn, des Erzbischofs Theodorich von Trier, das Kirchspiel
Kirburg auf dem Westerwald dem Abte Heinrich von Heisterbach
übergeben, damit er ein neues Cistercienserkloster ins Leben rufe.
An die Spitze der ganzen Unternehmung stellte sich der Abt Her⸗
mann von Himmerode in der Eifel. Trotz seines vorgeschrittenen
Alters bewog ihn seine Liebe zum Orden, auf seine Würde in
Himmerode zu verzichten und der Neugründung von Marienstatt
vorzustehen. So ließ er sich mit seinen Mitbrüdern ungefähr eine
halbe Stunde nordwestlich von Kirburg entfernt nieder.
Die Mönche gelangten infolge der schlechten und unbequemen
Lage ihres Klosters bald zu dem Entschluß, eine andre Stelle
für eine bessere Niederlassung zu suchen. Abt Hermann wollte
aber nichts gegen den Willen Gottes unternehmen und ordnete,
um diesen zu erforschen, eine mehrtägige Andachtsübung an. In
der Nacht des dritten Tages, so berichtet die Legende, soll ihm die
Jungfrau Maria, einen blühenden Dornzweig in der Hand haltend,
in hellem Lichtglanz erschienen sein und ihn angewiesen haben,
sich dort niederzulassen, wo er am andern Morgen im Tale der
Großen Nister einen blühenden Weißdornstrauch — es war strenger
Winter — finden werde. Vor Tagesanbruch machte sich der Abt
voll Zuversicht auf die Suche nach jenem wunderbar bezeichneten
Orte. Endlich gewahrte er, nachdem er die Meinbrechtsau durch—
wandert hatte, im Ainwald einen unter Eis und Schnee in voller
Blüte stehenden Weißdornstrauch. Graf Heinrich von Sayn, zu
dessen Grafschaft jene Stelle gehörte, überließ sie am 27. Februar
1222 bereitwilligst. Und nun entwickelte sich im Tale der Nister
eine rege Tätigkeit. Mit Unterstützung des Grafen und des be—
nachbarten Adels begannen die Mönche den Bau des herrlichen
Gotteshauses, dessen ernst schöne Ausführung wir heute noch be—
wundern. Abt Hermann war inzwischen gestorben, und unter
dem Abte Konrad waren die Gebäulichkeiten so weit hergestellt,
daß sie im Jahre 1227 bezogen werden konnten.
Das neue Kloster, welches auch fernerhin den schönen Namen
„Marienstatt“ beibehielt und wegen der erwähnten Sage einen
blühenden Dornzweig im Wappen führte, gelangte zu hoher Blüte.
Deutsches Lesebuch. Ausg. A. Dritter Teil.
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