Full text: [Teil 3 = 6., 7. und 8. Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 3 = 6., 7. und 8. Schuljahr, [Schülerband])

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Da sagte die Frau, die gern so von ungefähr erkunden wollte, 
was er mit dem Hoftrompeter gehabt: „Du bist ein närrischer 
Mann, Heinrich! Wenn dir's schlecht geht, dann bist du wohlgemut, 
und wenn einmal das Glück an dich kommt, dann möchtest du 
weinen.“ 
„Nein, so ist es nicht,“ erwiderte er. „Sieh, wenn ich sonst 
über den Schloßhof ging und der Hoftrompeter im Tressenrock 
stand auf der hohen Treppe vor dem Speisesaal, schmetterte seine 
Fanfaren und blies die hohen Gäste zur Tafel zusammen, dann 
dachte ich: Der hat's besser als du, ob du gleich ebensogut trom— 
peten könntest — einen leichteren Dienst, einen schöneren Rock, 
mehr Geld und größere Ehren! Und ich war ein Esel und bewarb 
mich insgeheim um die zweite Trompeterstelle neben ihm. Ich 
wollte wieder einmal vorwärts kommen; — nicht wahr, Christine, 
das haben wir schon oft gewollt? Ich habe dir's verschwiegen, 
weil ich dich überraschen wollte. Nun ist's wieder nichts; denn 
ich bin nur ein ungelernter Trompeter, wie man mir eben sagt, 
ich habe mir meine Kunst gestohlen, weil ich nicht Brief und Siegel 
habe von der Kameradschaft. Doch was schadet's? Reich mir den 
kleinen Buben, daß ich ihn küsse, der wird vielleicht einmal ein ge— 
lernter Trompeter werden, ich sehe ihn schon im Tressenrock auf 
der großen Schloßtreppe stehen. Ich aber will derweilen den Armen 
und Geringen meinen Choral vorblasen, daß der Schall vom Turme, 
wie wenn er vom Himmel herabkäme, sie mahne, tröste und er⸗ 
baue: das ist doch ein ander Ding, als wenn ich vornehme Gäste, 
die nie hungrig sind, mit gellender Trompete zum Essen rufe. O 
Christine, dein seliger Vater hatte recht; Stadtpfeifer soll ich bleiben 
mein Leben lang, und es geht auch nichts über die Stadtpfeiferei, 
wenn ein Weib auf dem Turme waltet wie du!“ 
204. Wilhelmshöhe. 
Adolf Ruperti. 
Deutsches Lesebuch für die evangelischen Vollsschulen des Regierungsbezirks Kassel. 
Ausgabe A. Kassel 1907. S. 438. 
Wenn die Sonne am heißesten herabstrahlt auf das liebe, 
schöne Vaterland, dann nimmt unsre Kaiserfamilie ihren Aufent— 
halt in einem der schönsten Schlösser Deutschlands. Es ist ein 
Schloß, welches zwar bei einer großen Stadt liegt, aber doch im
	        
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