Full text: Zweites Lesebuch für die Oberstufe (Teil 6, [Schülerband])

2358 
K. Aus der Sage und Geschichte des deutschen Volkes. 
Netze, schnitzten Bogen und Pfeile und Lanzenschäfte, gerbten Leder und 
verarbeiteten es und brauten berauschendes Bier. Sie durften keine Waffen 
führen und hatten kein Eigentum, konnten verkauft und verschenkt werden, 
hatten es aber sonst nicht schlecht. Reiche Grundbesitzer teilten kleine Stücke 
Land an Arme und an brave Knechte aus, die ihnen dafür einen Teil ihrer 
Ernte, Hühner, Eier und Gänse gaben, auch Arbeit verrichten mußten. So 
war es früher wohl ganz anders als jetzt, aber gewiß nicht besser, und Reiche 
und Arme, Angesehene und Niedere, Herren und Knechte, Glückliche und 
Unglückliche gab es auch damals schon. — Reiche und verständige Gutsbesitzer 
wurden Grafen, d. h. Richter und Heerführer im Bezirk oder Gau, und 
der Tapferste aus dem berühmtesten Geschlechte wurde Anführer oder Herzog 
eines ganzen Volksstammes. Da die deutschen Volksstämme im 4. bis 
6. Jahrhundert nach Christo oft ihre Wohnplätze änderten, fortwährend Krieg 
führten, andre Völker unterjochten und in den Ländern der Besiegten sich 
niederließen, so wurde der Herzog König, und er und seine Nachkommen 
herrschten über die Volksgenossen und über die Fremden. Die einzelnen 
deutschen Völker mochten nicht gern einen andern an ihrer Spitze sehen als 
einen Sproß ihres Königsstammes; dem hingen sie mit heiliger Treue an 
wie die Bewohner eines Hofes ihrem Hausherrn. G. Schurig. 
179. Das deutsche Volk macht sich von der Herrschaft der Römer frei. 
1. JZu der Zeit, als unser Heiland geboren wurde, herrschte in 
dem weiten römischen Weltreiche der mächtige Kaiser Augustus. Sein 
Zepter reichte über fast alle damals bekannten Teile der Erde. Aber das 
war den Römern immer noch nicht genug. Mit List und Gewalt suchten 
sie ihre Herrschaft auch zwischen Rhein und Weser aufzurichten. Hier 
und da im Lande tat sich ein römischer Markt auf. Die umwohnenden 
Deutschen kauften dort römische Hausgeräte, Kleider und Waffen, und die 
Fremden wurden ihnen nach und nach fast unentbehrlich. Die kriegs— 
lustige Jugend der edlen deutschen Geschlechter diente gern im Römer— 
heere, erhielt Ehrenzeichen und Beute und pries bei ihrer Rückkehr in die 
heimatlichen Wälder der Römer Freundlichkeit und gutes Leben. So ge— 
schah es, daß diese meinten, ihre Herrschaft über die gutmütigen Deutschen 
sei so sicher, daß sie nun anfangen könnten, sie wie Besiegte zu behandeln. 
So tat besonders der Statthalter Varus. Er trieb Steuern ein und 
hielt Gericht nach römischer Weise. Aber mit Ingrimm sahen die Deutschen, 
wie sie nach fremden Gesetzen von fremden Richtern in fremder Sprache 
verurteilt wurden. Sie wurden mit Rutenstreichen gezüchtigt, und solche 
entehrende Strafe hatten doch ihre Heerführer nicht einmal im Kriege
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.