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hin: Ich danke dir, Gott, daß ich nicht wohne in Sibirien oder auch
der Lineburger Heide. Sehen wir uns den so viel geschmaͤhten
Landstrich ohne Furcht näher an!
Die Lüneburger Heide erstreckt sich von der Göhrde bis in die
Gegend von Bremen und Stade ununterbrochen in unveränderter
Richtung von Sudosten nach Nordwesten. Auf beiden Seiten wird sie
durch die Elbe und die Aller begrenzt. Der höchste Rücken der
Ebene erreicht die Höhe von 130 Metern und der Abfall der Heide
f u beiden Seiten sanft, doch nicht gleichförmig; südwaͤrts ist er erst
in sehr bedeutender Erstreckung bemerkbar nordwaͤrts dagegen etwa
Nerinal so steil. Dieses Verhaͤltniß der entgegengesetzten Abdachungen
laßl den Wanderer, welcher von Norden kommt, die Heide als einen
ausgedehnten blauen Gebirgsstreif am Horizonte wahrnehmen aus
welchem die ihm entgegenkommenden Flüsse mit beträchtlichem Fall
und tief eingeschnittenen Thälern hervortreten wahrend ex wenn er
on Suden konnt, nichts als eine endlose Ebene vor sich sieht, deren
Flusse langsam durch einen breiten Rand von Suͤmpfen und Torf⸗
mooren zur Aller abfließen.
Keineswegs bietet die Ebene einen so traurigen Anblick, als man
wanen sollte. Nirgends trifft das Auge kahle Sandschollen und Hügel,
de ber Wind verseht; selbst in der hoͤchsten Trockenheit bekleidet das
Moosheidekraut, mit dem gemeinen Heidekraute um den Rang streitend,
Und in reicher Fülle auch die Heidelbeere den Boden. Wo Zutxitt der
Feuchtigkeit eine freiere Entwicklung erlaubt, treten in großem Umfange
schöne Waldungen von Buchen und Birken auf; und die herrlichen
Elchenwäldchen, welche die einsamen Heidedörfer umgeben, zeugen von
der Fruchtbarkeit ihrer Grundlage. Einförmige Klefernwälder und mit
ihnen ode Sandschollen beginnen erst in der Nähe des Allerkhales
d an den sumpfigen Raͤndern der Flüsse des Sudabhanges; doch
findet sich der Wanderer auch hier nicht selten erfreut durch eine Ver—
ischung derselben mit Fichten. Die heilkräftige Krniea montana
Wohlverleih) ist überall durch die Heide vertheilt und ziert die Ebene
bis Hannover in großem Überfluß.
Die Dörfer der Heide bilden mit ihren Gärten und Wiesen, mit
ihrer Einfassung von Baumgruppen freundliche Oasen Die Bewohner
sind auf die drei Hauptprodukte der Heide: Schafe, Buchweizen und
Honig vornehmlich angewiesen. Was dem Lapplaͤnder das Rennthier,
dem Grönlaͤnder der Seehund, dem Marschbewohner das Rind ist,
das sind dem Heldebauer die Heidschnucken, deren an 600,000 in der
Helde gezaͤhlt werden. Der Buchweizen oder das Heidekorn liefert
em Heldebewohner seine Hauptnährung. Er wird theils zu Mehl,
heils zu Grütze verarbeitet die mit Milch zu einer Suppe gekocht,
Neistentheils als erstes Fruͤhstück genossen wird; das Mehl dient be—
sonders zu Pfannkuchen und zu „VBoukwãitenklüten· etnn
Dicse durfen bei keinem Mitlagsmahl fehlen und exscheinen häufig