Full text: Deutsches Lesebuch für die Oberklassen der Volksschule

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und suchten die Söhne nach dem Tode des Vaters um ihr väterliches 
Erbe zu bringen. 
Da ließ der Valer eines Tages alle sieben Söhne zusammen kommen, 
legte ihnen sieben Stäbe vor, die fest zusammen gebunden waren, un 
sagte Demjenigen von Euch, der dieses Bündel Stäbe entzwei bricht, 
zahle ich hundert große Thaler baan“ 
Einer nach dem andern strengte alle seine Kräfte an, und jeder 
sagte nach langem vergeblichen Bemühen „Es ist gar nicht moöglich!“ 
Und doch,“ sagte der Vater, „ist nichts leichterl“ Er löste das 
Bundel auf und zerbrach einen Stab nach dem andern mit geringer 
Mühe. Eil“ riefen die Söhne, „so ist es freilich leicht, so könnte 
es ein kleiner Knabe!“ 
Der Vater aber sprach: „Wie es mit diesen Stäben ist, so ist 
es mit Cuch, meine Soͤhnel So lange Ihr fest zusammenhaltet, werde 
Ihr bestehen, und niemand wird Euch überwältigen können. Bleibt 
aber das Band der Eintracht, das Euͤch verbinden soll, aufgelöst, so 
geht es Euch wie den Staͤben, die hier zerbrochen auf dem Boden 
umher liegen · 
(Christoph v. Schmidh) 
23. Das Licht der treuen Schwester. 
An dem Ufer einer Hallig wohnte einsam in einer Hütte eine 
Jungfrau. Vater und Mutter waren gestorben, und der Bruder war 
fern auf der Seen Mit Sehnsucht im Herzen gedachte sie der Todken 
und des Abwesenden und harrie seiner Wiederkehr. Als der Bruder 
Abschied nahm, hatte sie ihm versprochen allnaͤchtlich ihre Lampe ans 
Fenster zu setzen damit das Licht, weithin über die See schimmernd, 
wenn er heimkehre, ihm sage, daß seine Schwester Elke noch lebe und 
seiner warte. Was sie versprochen, das hielt sie. An jedem Abend 
stellte sie die Lampe ans Fenster und schaute Tag und Nacht auf die 
See hinaus ob nicht der Bruder kämen Es vergingen Monde, es 
vergingen Jahre und noch immer kam der Bruder nicht; Elke ward zur 
Greisin. Und immer saß sie noch am Fenster und schaute hinaus, und 
an jedem Abend stellte sie die Lampe aus und warlele Endlich war 
es einmal bei ihr dunkel und das gewohnte Licht erloschen Da riefen 
die Nachbarn einander zu: „Der Bruder is gekommen!“ und eilten 
ins Haus der Schwesterr Da saß sie da, todt und starr ans Fenster 
gelehnt, als wenn sie noch hinaus blickte, und die erloschene Lampe 
stand neben ihr. 
(R. Müllenhoff)) 
24. Der gute Knecht. 
Der Gutsbesitzer Vormann hatte einen braven Knecht, und daß er 
brav war erfuhr er zuerst durch eine klein— Thatsache, an die sich 
später viele andere anreihten Der Knecht hatte uichis bavon gewußt,
	        
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