Full text: [Abteilung 1 = 1. Jahrgang, [Schülerband]] (Abteilung 1 = 1. Jahrgang, [Schülerband])

108 
Ve — 
Karl der Große. 
Je länger, desto mehr wuchs die Zahl der Klöster. Verfolgte und Be— 
drückte fanden dort sichere Zuflucht. Lernbegierige suchten Bücher und Unter— 
weisung, Beängstigte Frieden. Von den Klöstern gingen damals die meisten 
der Glaubensboten aus. In ihnen waren auch die einzigen Schulen, und 
mancher tüchtige Knabe armer Eltern, der sonst wohl zeitlebens mit den 
Schafen auf dem Anger umhergezogen wäre, ist dort zu einem beredten Lehrer 
oder treuen Bischof der Kirche gebildet worden. Mönche haben auch besonders 
in Deutschland die dichten Wälder ausgerodet und den Boden urbar gemacht, 
so daß das Volk durch sie an die mildere Lebensweise des geselligen Ackerbaues 
gewöhnt ward. — Da war es denn nicht zu verwundern, wenn die Klöster 
bald von allen Seiten beschenlt wurden, und wenn Fürsten und Herren neue 
Klöster als Pflanzstätten des Glaubens und der Bildung bauten. 
Aber wie der Geist der Welt leicht wieder eine Hinterthür findet, wenn 
die Wachsamkeit versaumt wird, so geschah es auch hier. Die Handarbeiten 
kamen durch die reichen Schenkungen allgemach ab. Die Frömmigkeit erkaltete 
im Wohlleben. Allerlei schnöde Sünden stellten sich mit dem Müßiggange 
ein. Die alte Zucht ward nicht mehr in ihrer Strenge gehandhabt. Gottes— 
furcht war in manchen Klöstern nur noch dem äußeren Scheine nach vorhanden. 
Die Mönche suchten oft mehr, was des Bauches, als was Gottes war. 
i. Karl der Große. 
1. Im uralten Münster zu Aachen steht ein schlichter Grahstein. 
Darauf sind die Worte zu lesen: „Karl dem Großen.“ Karl beherrschte von 
768 bis 814 das große Frankenreich. Dis hatte nach und nach seine Gren— 
zen über das heutige Frankreich, über Deutschlaud bis zur Elbe, über 
goltland, die Schweiz, einen Teil von Italien, Spanien und Ungarn 
ausgedehnt. 
In seiner Lebensweise war er ein schlichter Mann und ging einfach einher 
wie die übrigen seines Vvolkes. Er trug einen leinenen Wams und eben solche Bein— 
kleider, einen Rock von einheimischem Tuch und bisweilen einen kurzen, weißen 
oder grünen Mankel. Aber stels hiug ihm ein großes Schwert mit goldenem Wehr- 
gehäng an der Seitt. Uunr an Reichstagen und hohen Sesten erschien er in voller 
Majeslãt mit einer goldenen, von Diamanten strahlenden Krone auf dem Hauptt, 
angelhan mit einem lang herabwallenden Talare, der mit goldenen Bienen wie 
übersät war. 
Er war ein echt dentscher Mann, maß 5 seiner eigenen Fußlängen, und seine 
Gestall war von hoher Würde. Seine überaus lebendigen Angen leuchleten dem 
Freunde und dem Hilfeslehenden freundlich, dem Feinde aber furchthar. Er war der 
bheste Fechter und Schwimmer unter seinen Franken, im Essen und Trinken nüchtern, 
dabei unermũdlich thätig. Sein Schlaf war kurz, selbst des UNachts stand exr von 
seinem Lager auf, belete oder nahm Schreibtafel und Griffel, um sich in der 
Schreibekunst zu üben, die er in seiner Zugend nicht erlernt hatlke. Auch stellte er 
sich dann ans Senster und betrachtete chrfurchtsvoll und mit Bewunderung den ge 
stirnten Himmel. Früh, während des Aukleidens schon, schlichtete er Streiligkeiten, und 
bei Tische hatle er den Brauch eingeführt, ans guten Büchern vorlesen zu lassen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.