Vierte Periode.
I. Von den Kreuzzügen bis zu Rudolph von Habsburg.
Von 1096 bis 1272.
8. 1. Erster Kreuzzug.
So wie das Christenthum in dem Gemüthe der Menschen feste Wur¬
zel gefaßt hatte, so wuchs natürlicher Weise das Interesse für die Gegen¬
den, die Verehrung für die heiligen Orte, an welchen der Heiland der
Welt geboren ward, litt und starb. Die Sehnsucht, den Boden zu betre¬
ten, auf dem seine Füße gewandelt, hatte schon seit dem vierten Jahrhun¬
dert eine Menge Pilger alljährlich in das heilige Land geführt, wo sie von
einer geweihten Stätte zur andern, den Spuren des Herrn in frommem
Gebete nachziehend, Erfüllung ihrer gottseligen Begierde und Vergebung
für ihre begangenen Sünden zu erlangen strebten. Eine Pilgerfahrt nach
dem heiligen Grabe war das größte und eindringlichste Gelübde, welches
zum Preis eines erflehten Gutes oder zur Sühne eines begangenen Fehls
als wohlgefälliges und vollgültiges Opfer der Gottheit dargebracht wer¬
den konnte.
So lange die Araber Herr des Landes waren, wurden die den Chri¬
sten heiligen Orte geschützt und die Pilger konnten gegen Erlegung einer
bestimmten Steuer sicher und ungestört diese Heiligthümer des christlichen
Glaubens besuchen. Als aber gegen Ende des eilften Jahrhunderts das
wilde, räuberische Volk der türkischen Seldschucken von den Ufern des kas-
pischen Meeres in raschem Eroberungszug mit der Herrschaft von Vorder¬
asien, Syrien und Palästina errang, wurde die Pilgerfahrt ein gefahrvolles
Unternehmen, freilich auch dadurch ein verdienstlicheres und deshalb heißer
begehrtes. Die rückkehrenden Pilger erzählten Schaudergeschichten von den
Verfolgungen, die sie ausgestanden, von dem Elend und der traurigen
Lage der christlichen Einwohner Jerusalems. Die Kirchen wurden geschän¬
det, Geld erpreßt, körperliche Mißhandlungen mit der rohesten Gewalt
geübt. Die flehentlichsten Bitten um Hülfe und Erlösung drangen tag¬
täglich an das Ohr des Papstes. Schon Gregor VII. hatte den Plan,
durch einen mächtigen Kriegszug das heilige Grab den Händen der Un¬