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So genasen sie bald. Der Kaufmann wollte aber nicht halb ge¬
holfen haben. Dem wieder gesund gewordenen Manne gab er Arbeit,
den ältesten Sohn nahm er als Gehilfen an, und für die kleinen
Kinder zahlte er das Schulgeld. Gewiß empfand er dabei die Wahr¬
heit des Spruches: „Geben ist seliger als Nehmen!"
E. Große und I. Otto.
107.
Gin guter Sohn schämt sich seiner geringen
Eltern nicht.
In dem Regiment des berühmten, von Friedrich dem Großen
hochgeehrten Generals von Ziethen stand ein Rittmeister, Namens
Kurzhagen. Er war klug und tapfer und hatte ein kindliches Ge¬
müt. Seine Eltern waren arme Landlcute im Mecklenburgischen. Mit
dem Verdienstorden auf der Brust rückte er nach Beendigung des
siebenjährigen Krieges in Parchim ein.
Die Eltern waren von ihrem Dörfchen nach der Stadt ge¬
kommen, um ihren Sohn nach Jahren wiederzusehen, und erwarteten
ihn auf dem Marktplatze. Als er sie erkannte, sprang er rasch vom
Pferde und umarmte sie unter Freudenthränen. Bald darauf mußten
sie zu ihm ziehen und allezeit mit an seinem Tische essen, auch wenn
er vornehme Gäste hatte. — Einst spottete ein Offizier darüber,
daß Bauern bei einem Rittmeister zu Tische säßen. „Wie sollte ich
nicht die ersten Wobllhäter meines Lebens dankbar achten?" war
seine Antwort. „Ehe ich des Königs Rittmeister wurde, war ich
ihr Kind."
Der brave General von Ziethen hörte von diesem Vorfall und
bat sich selbst nach einiger Zeit mit mehreren Vornehmen bei dem
Rittmeister zu Gast. Die Eltern des letzteren wünschten diesmal
selbst, nicht am Tische zu erscheinen, weil sie sich verlegen fühlen
würden. Als man sich setzen wollte, fragte der General: „Aber,
Kurzhagen, wo sind Ihre Eltern? Ich denke, sie essen mit Ihnen
an einem Tische?" Der Rittmeister lächelte und wußte nicht gleich
zu antworten. Da stand Ziethen auf und holte die Eltern selbst
herbei; sie mußten sich rechts und links an seine Seite setzen und
er unterhielt sich mit ihnen aufs freundlichste. Als man anfing,
Gesundheiten auszubringen, nahm er sein Glas, stand auf und sprach:
„Meine Herren, es gilt dem Wohle der braven Eltern eines ver¬
dienstvollen Sohnes, der es beweist, daß ein dankbarer Sohn mehr
wert ist als ein hochmütiger Rittmeister!"
Später fand der General Gelegenheit, dem König von der
kindlichen Achtung zu erzählen, welche der Rittmeister seinen Eltern