Full text: Quellenbuch zur Geschichte der Neuzeit

— 483 — 
311. 
Her Fall von Paris und der Friede. 
28. Januar 1871. 
(Aus der „Provinzial-Korrespondenz" vom 1. Febr. — Hahn, Fürst Bismarck, II, ©.218.) 
Mit dem Fall von Paris stehen wir unerwartet vor dem gänzlichen 
Ende des Krieges und vor dem wirklichen Friedensschlüsse. 
Das ist mehr und Höheres, als die Zuversichtlichsten noch vor kurzem 
zu hoffen wagten. 
Es sind erst wenige Wochen her, da war noch überall, und bei den 
Kundigen nicht minder als in weiteren Kreisen, die Überzeugung geltend, 
daß nach dem Falle von Paris erst noch die volle Entfaltung unserer 
militärischen Macht in den Provinzen Frankreichs nötig sein würde, um 
die neu aufgerufenen Kräfte des Widerstandes zu brechen, und man 
wünschte mit einiger Ungeduld besonders deshalb die Überwindung von 
Paris beschleunigt zu sehen, damit unsere Armeen volle Freiheit gewinnen 
möchten, ihre weiteren Aufgaben in Frankreich zu erfüllen. . . . 
Da brachten zuerst die gewaltigen Siege des Feldmarschall Prinzen 
Friedrich Karl über die französische Westarmee und des Generals von 
Goeben über die Nordarmee, sowie die Vereitelung der Pläne Bourbakis 
durch den heldenmütigen Widerstand des Werderschen Corps eine hoch- 
erfreuliche Wendung der Aussichten herbei; aber so zuversichtlich man nun 
auch hoffen konnte, daß die Niederwerfung Frankreichs nach dem Falle 
von Paris keine erheblichen militärischen Schwierigkeiten mehr bereiten 
würde, so galt es doch als gewiß, daß die Fortsetzung des Widerstandes, 
zu welcher namentlich Gambetta mit diktatorischer Gewalt immer aufs 
neue antrieb, ernstlich versucht werden und noch eine langwierige und 
lästige, wenn auch nicht mehr gefahrvolle Kriegführung nötig machen 
würde. . . . 
Es gctft als unvermeidlich, daß unsere Heere noch aus lange Zeit 
hinaus in Frankreich festgehalten werden würden. 
Dank der Umsicht und Energie unserer Staatsleitung scheint es anders 
zu kommen; wir dürfen jetzt in dem Falle von Paris zugleich den Schluß 
des Krieges und einen nahen glorreichen Frieden begrüßen. 
Wenn es, wie zu hoffen ist, gelingt, durch den Pariser Kapitulations- 
vertrag gleichzeitig die Unterwerfung ganz Frankreichs und einen Frieden, 
wie Deutschland ihn haben muß, von der Regierung der nationalen Ver- 
teidigung zu erreichen, so wird damit eine der größten und schwierigsten 
Aufgaben der Politik in ebenso glänzender und überraschender Weise er¬ 
füllt sein, wie seither alle militärischen Aufgaben während des Feldzuges 
gelöst worden sind. 
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