Object: Geschichte des Mittelalters (Theil 2)

— 103 — 
und man seinem Gefolge den Eintritt versagte. Als Herr war er auf- 
genommen, als Gefangener ward er behandelt. Nicht lange darauf ver- 
anlaßte man den Unglücklichen vor einer Versammlung, in welcher der 
ungetreue Sohn den Vorsitz führte, zu Ingelheim zu erscheinen; dort 
gab er gezwungen die Kroninfignien, dort seine Schlösser, sein Erbe, 
sein Reich hin. Da rief Heinrich wehmuthsvoll aus: „Ich leide für die 
Sünden meiner Jugend, wie noch kein Fürst gelitten hat; aber eure 
That wird nicht gerechtfertigt durch meine frühere Schuld." 
Auch der Regierung hatte sich der Kaiser für unwürdig erklären 
müssen, dann blieb er nach Auflösung der Versammlung in der Pfalz 
zu Ingelheim zurück, um hier als Privatmann seine Tage zu beschließen. 
Als aber der ungerathene Sohn auch die Freiheit seinem Vater nicht 
gestatten zu wollen schien, sondern sich anschickte, ihn unter Aussicht zu 
stellen, entwich der Kaiser zu Schiffe nach Köln und von da nach Lüttich 
zu seinem Freunde, dem Bischöfe Otbert. Hier sammelte er ein Heer 
und war im Begriff, seinen unnatürlichen Sohn zu züchtigen. Da be- 
freiste ihn der Tod (1106) von einem Leben, welches fast nur eine un- 
unterbrochene Kette von Leiden und Widerwärtigkeiten gewesen war. 
Aber selbst nach dem Tode kam der Gebannte nicht zur Ruhe. Der 
Bischof von Lüttich hatte seine Leiche in einer Kirche feierlich beisetzen 
lassen. Weil aber der König im Banne gestorben war, so ward der 
Bischof gezwungen, sie wieder ausgraben zu lassen. An ungeweihter 
Stelle, ohne Seelenmessen, ohne alle Feierlichkeiten, stand jetzt des Ge- 
bannten Leiche auf einer einsamen Insel in der Maas. Rur ein einziger 
aus Jerusalem herzugekommener Mönch betete hier und sang, ohne je 
den Tobten zu verlassen. Neun Tage später wurde sie mit des jungen 
Heinrich Bewilligung in einem steinernen Sarge nach Speyer gebracht. 
Unbegraben stand hier die Leiche in der ungeweihten St. Afra-Kapelle; 
aber das Volk dieser Gegenb, welches den König ungemein geliebt hatte, 
wallfahrtete unter lautem Jammer zu jener Stätte. Erst nach fünf 
Jahren (Uli) wurde der Bann vom Papste zurückgenommen, und nun 
die Leiche des Kaisers zu Speyer feierlich beigesetzt an der Seite seiner 
treuen Gemahlin Bertha. 
38. Heinrich V. (1106-1125). 
So lange Heinrich V. der Hülfe des Papstes beburfte, um seinem 
alten Vater bte Krone vom Haupte zu reißen, hatte er ihm völlige Un- 
terwürsigkeit geheuchelt; jetzt, wo ihm sein Bubenstück gelungen war,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.