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noch der gute Märtel, noch das heilige Kind durch die Frau
Patin mehr etwas ab.
So ging es fast drei Jahre. Einmal, am Ende des
dritten, setzten sich der Gerber und seine Hausfrau nachmit¬
tags an den Tisch um ihren Kaffee zu trinken. Aber als
die Gerberin die Tischlade herauszog, war kein Wecken zum
Einbrocken darin. Ihr kleiner Helm, der neben ihr auf den
Zehen stand und auch hineinschaute, ries sogleich: „Mutter,
einen Groschen! ich hole das Brot." Dann wandte er sich
in seiner kindlichen Eilfertigkeit an den Vater und sagte:
„Heut' aber lauf' ich nicht lange herum, und wenn es
beim Torbacker kein Brot gibt, geh' ich wieder einmal zu
dem Herrn Paten hinüber." Der Gerber, der vielleicht die
anklopfende Gnadenhand des Herrn spürte, sagte nicht ja
und nicht nein darauf und ließ den kleinen Unmuß ziehen.
Im ersten Brotladen hatten aber die Wecken schon alle ihre
Käufer gefunden und Helm kam wieder zum Tore herein,
laut singend, wie es manchmal lebhafte Kinder mit ihren
Gedanken zu machen pflegen, daß es die ganze Gasse hören
konnte: „Heut' geh' ich zum Herrn Paten! heut' geh' ich zum
Herrn Paten!" Ungehalten über den argen Schreihals,
wollte sein Vater ihm wehren. Aber ehe er noch das ver¬
quollene Fenster aufbringen konnte, war der kleine Sänger
schon zum Tempel hinein und — kehrte nach einigen Augen¬
blicken als Friedensbote wieder zurück. Statt des Ölzweiges
hatte er einen geschenkten Eierring in der Hand und rief,
über die Schwelle in die Stube hineinstolpernd: „Der Herr
Pate läßt Vater und Mutter recht schön grüßen und ich soll
bald wiederkommen."
Noch an dem nämlichen Abend wechselten die Nachbars-
leutc einige freundliche Worte über die Gasse; am folgenden
saßen die weiße und gelbe Schürze wieder auf der grünen
Bank beisammen; am dritten zeigten die Weiber einander
die Leinwand, zu der sie in den bösen drei Jahren oft
mit ihren Tränen über den unseligen Zwist den Faden genetzt
hatten.
Und es war hohe Zeit, daß der Herr den Friedens¬
boten erweckt hatte. Denn einige Wochen darauf versiel der
Bäcker unerwartet schnell in einen Nervensieberschlaf und
aus diesem nach wenigen lichten Augenblicken in den Todes¬
schlummer. — Gott gebe ihm eine fröhliche Urständ!
Amen. (Karl Stöber.)