654
heiler zu sein. Sehet, Kinder, wenn ihr dem Vater recht danket für etwas, so jauchzet
und lärmet ihr nicht; ihr fallet ihm still und mit wenig Worten um den Hals;
und wenn's euch recht zu Herzen gehet, so steigen euch Tränen in die Augen. Sehet,
Kinder, so ist's auch gegen Gott. Wenn's euch recht freuet, was er euch Gutes tut,
und wenn es euch recht im Herzen ist, zu danken, so machet ihr gewiß nicht viel
Geschreies und Geredes, aber Tränen kommen euch in die Augen, daß der Vater im
Himmel so gut ist. Sehet, Kinder, dafür ist alles Beten, daß einem das Herz im
Leib gegen Gott und Menschen immer dankbar bleibe. Und wenn man recht betet,
so tut man auch recht und wird Gott und Menschen lieb in seinem ganzen Leben."
Niklas. Auch dem gnädigen Herrn werden wir recht lieb, wenn wir recht
tun, sagtest du gestern.
Mutter. Ja, Kinder, es ist ein recht guter und frommer Herr. Gott lohne
ihm alles, was er an uns tut. Wenn du ihm einst nur recht lieb wirst, Niklas!
Niklas. Ich will ihm tun, was er will; wie dir und dem Vater will ich ihm
tun, was er will, weil er so gut ist.
Mutter. Das ist brav, Niklas! Denk' nur immer so, so wirst du ihm gewiß
lieb werden.
Niklas. Wenn ich nur auch einmal mit ihm reden dürfte!
Mutter. Was wolltest du mit ihm reden?
Niklas, Ich wollte ihm danken für den schönen Batzen.
Anneli. Dürftest du ihm danken?
Niklas. Warum das nicht?
Anneli. Ich dürft's nicht.
Life. Ich auch nicht.
Mutter. Warum dürftet ihr das nicht, Kinder?
Life. Ich müßte lachen.
Mutter. Was, lachen, Life? und noch voraussagen, daß du nicht anders als
läppisch tun könntest! Wenn du nicht viel Torheiten im Kopfe hättest, es könnte dir
an so etwas kein Sinn kommen.
Anneli. Ich müßte nicht lachen, aber ich würde mich fürchten.
Mutter. Er würde dich bei der Hand nehmen, Anneli, und würde auf dich
herab lächeln wie der Vater, wenn er recht gut mit dir ist. Dann würdest du dich
doch nicht mehr fürchten, Anneli?
Anneli. Nein, dann nicht.
Jonas. Und ich dann auch nicht.
So ein Unterricht wird verstanden und geht zu Herzen; aber es gibt ihn eine
Mutter.
Mutter. Aber, ihr Lieben, wie ist's in dieser Woche mit dem Rechttun gegangen?
Die Kinder sehen eines das andere an und schweigen.
Mutter. Anneli, tatest du recht in dieser Woche?
Anneli. Nein, Mutter, du weißt es wohl mit dem Brüderlein.
Mutter. Anneli, es hätte dem Kinde etwas begegnen können; es sind schon
Kinder, die man so allein gelaffen hat, erstickt. Und über das, denk' nur, wie's dir
wäre, wenn man dich in eine Kammer einsperrte und dich da hungern und dürsten
und schreien ließe! Die kleinen Kinder werden auch zornig und schreien, wenn man
sie lange ohne Hilfe läßt, so entsetzlich, daß sie für ihr ganzes Leben elend werden
können. Anneli, so dürfte ich, weiß Gott! keinen Augenblick mehr ruhig vom Hause
weg, wenn ich fürchten müßte, du hättest zu dem Kind nicht recht Sorge.
Anneli. Glaube mir's doch, Mutter! ich will gewiß nicht mehr von ihm
weggehen.
Mutter. Ich will's zum lieben Gott hoffen, dn werdest mich nicht mehr so
in Schrecken setzen. Und, Niklas, wie ist's dir in dieser Woche gegangen?