96 VIII. Die Gründung der Nationalstaaten und des Berfassungslebens.
zu kühlen und das Deutschtum in Schleswig nach Kräften zu unter-
drücken.
Nachdem die dänische Regierung in Berlin und Wien die verlangte
Erklärung abgegeben hatte, Schleswig nie in Dänemark einverleiben zu
wollen (29. Jan. 1852), unterzeichneten Preußen und Österreich mit den
übrigen Großmächten und mit Schweden und Dänemark das Londoner
Protokoll, das die Erbfolge der (weiblichen) Glücksburger Linie beim
Erlöschen des Mannesstammes in Dänemark festsetzte. Der näher be-
rechtigte Herzog Christian August vonSchleswig-Holstein-Sonderburg-
Augustenburg versprach in seinem Namen und — wozu er nicht das
Recht hatte — in dem seiner Nachkommen gegen diese Erbfolgeordnung
nichts unternehmen zu wollen (30. Dez. 1852).
C. Die Zeit *><m der Wiederherstellung des
Deutschen Kundes b\& zur Errichtung des
neuen Deutschen Weiches. (1852—1871.)
§ 23. Die französische VornmchtspoMik unter Napoleon III.
1. Die Errichtung des zweiten Kaiserreichs in Frankreich. Die
französische Republik machte sich durch ihre Verfassung unmöglich.
Ihr zufolge waren sowohl der Präsident wie seine Minister verantwortlich
und die vollziehende Staatsgewalt so vollständig von der gesetzgebenden
der Nationalversammlung getrennt, daß der Präsident diese weder ver-
tagen noch auflösen konnte. Als die Legislative durch Uneinigkeit
und Fehlgriffe sich um ihr Ansehen gebracht hatte, ließ er in der Nacht
Staatsstreich 1./2. Dez. 1851 78, am 2. Dez. noch 235 gegnerische Deputierte ver-
2. Dez. 1851. stürzte die von ihm beschworene Verfassung, verbannte
die Häupter der Republikaner und ließ durch eine allgemeine Volks-
abstimmung am 20. u. 21. Dez. eine Verfassung, die die Volksvertretung
aller Bedeutung entkleidete, bestätigen. Gestützt auf ein wohl vorbereitetes
neues Plebiszit vom 21./22. Nov. erklärte der Prinzpräsident sich als
Napoleon III. Napoleon III. zum Kaiser der Franzosen „von Gottes Gnaden
und durch den Willen des Volkes" (2. Dez 1852).
Kaiser Napoleon, im Grunde nicht ohne Gemüt und guten Willen,
hatte doch in seinem Abenteurer- und Verschwörerleben gelernt, im Gebrauch
der Mittel nicht wählerisch, mit betörenden Phrasen freigebig und mit seiner
Ansicht zurückhaltend zu fein. Er überlegte lange und faßte plötzlich, oft
auf geringen Anlaß hin, seinen Entschluß. Der Besitz und Genuß der Macht
war ihm noch lieber als das Glück seines Volks, das er auf äußere Güter
zu gründen suchte. Er vermählte sich mit der schönen, aber bigotten spa-
nischen Gräsin Eugenie v. Montijo, die ihm 1854 einen Sohn gebar.