Full text: Lesebuch für die Oberklassen der Volksschulen

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unbegrenztes Meer sich ausbreitete, so liegt jetzt hinter uns 
bis an den fernsten Horizont die einförmige Wasserfläche. 
Da wenden wir den Blick wieder vorwärts. Ist hinter 
uns alles verschwunden, so wird doch vor uns, wohin das 
Schiff uns trägt, ein anderes Ufer, ein anderes Festland aus 
dem Meere sich erhoben haben. Welche Täuschung! Nichts 
als Wasser; so weit das Auge reicht, nichts als Wasser! Wir 
drehen uns langsam im Kreise auf dem Schiffe herum; wir 
schauen nach allen Seiten, nach allen Himmelsgegenden und 
immer wieder sehen wir nichts als Wasser. Wie eine mächtige 
Scheibe, die in einem fernen Kreise mit dem Himmel verbuden 
zu sein scheint, liegt es um uns. Himmel und Wasser und das 
Schiff, das uns trägt, das ist alles, was dem Auge sich dar— 
stellt. Ein noch nie empfundenes Gefühl übermannt uns. 
Furcht und Angst überfallen uns, die wir noch niemals den 
Anblick des Festlandes entbehrt hatten. Am Morgen hatten 
wir das Ufer verlassen, jetzt will schon der Tag sich neigen, 
aber noch läßt nirgends ein fester Punkt sich entdecken. Fische 
spielen im Wasser; mitunter umkreist ein gewaltiger Meerfisch 
unser Fahrzeug oder kleinere Fische heben sich hoch mit ihren 
flügelartigen Flossen aus dem Meere empor. Das ist die 
ganze Abwechslung, die uns geboten wird. So sinkt der 
Abend auf unser einsames Schiff herab. Die Sterne ziehen 
am Himmel herauf und spiegeln sich wundervoll in dem 
ruhigen Spiegel des Wassexs. Wir scheinen mitten zwischen 
zwei Himmeln zu fahren. Über uns blinken die Sterne und 
unter uns glänzt ihr Wiederschein aus der Tiefe des Meeres. 
Da plötzlich erfaßt noch ein anderes Schauspiel unsere Blicke. 
Die Oberfläche und die Tiefe des Meeres fangen an, wie 
Feuer zu glänzen, und das ganze Meer scheint mif Feuerfunken 
übersät zu sein. Die Fische schießen wie feurige Bliße durch die 
Fluten. Millionen von Sternchen und Fünkcchen scheinen sich 
auf den Wellen des Meeres zu schaukeln und wie ein Feuer 
streifen glänzt hinter uns die Bahn, die unser Schiff zurücklegt. 
Wir legen uns endlich zur Ruhe. Das unheimliche Ge— 
fühl, über der Tiefe des Meeres zu schlafen, läßt uns spät 
erst in Schlummer sinken. Das Schaukeln des Schiffes weckt 
uns. Noch ist alles um uns in das Dunkel der Dämmerung 
gehüllt. Aber schnellen Schrittes eilen wir auf das Verdeck 
hinauf um das Land zu begrüßen, dem das Schiff, das die 
ganze Nacht mit Windesschnelle dahinflog, uns nun wohl zu— 
geführt hat. Doch siehe da, das Auge indet auch heute nur
	        
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