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von Pensa, Pranz Anton Egetmaier, gebürtig aus Bretten im
Neckarkreise des Grobherzogtums Baden.
Hat er nicht im Jahre 17899 das Handwerk gelernt in
Mannbeim Bernach ging er auf die Wanderschaft nach Nürn-
hberg und dann ein wenig nach Petersburg hinein. Dort aber
lied er fieh unter ein rullisehes Reiterregiment als Regiments-
schneider anwerben und ritt mit ihm in die fremde, rullisehe
Welt hbinein, wo alles anders ist, nach Pensa, bald mit der
Nadel stechend, bald mit dem Schwerte.
In Pensa aber, wo er sieh hernach häuslich und bürger-
lieh nedereb, wurde er ein angelehener Mann. Wollte jemand
Veit und breit ein fauberes Kleid nach der Mode haben, so
schiekte er nach dem deutsehen Schneider in Pensa. Hatte
jemand ein Anliegen bei dem Statthalter, der doch ein vor-
hehbmer LHerr ist und mit dem Raiser reden darf, so sagte ers
nur dem Sehneider in Pensa, und dem sehlugs der Statthalter
dicht ab; und hatte auf dreibig Stunden Wegs ein Menseh
ein Unglück oder einen Schmerz, so vertraute er sieh dem
Schneider von Pensa an, er fand bei ihm, was ihm fehlte,
Prost, Rat und Rilfe, Obdach, Tiseh und Bett, — nur Lein Geld.
Pinem Gemüte, wie dieles var, das nur in Liebe und
Wohlthun reich ilt, blühte auf den Schlachtfeldern des Jahres
1812 eine sehöne Preudenernte. do oft ein Pransport von un-
glücklichen Gefangenen kam, warf er Schere und Elle weg
und vwar der erste auf dem Platze. „Sind keine Deutsehe da?
war seine erste Frage; denn er hoffte von einem Tage zum
andern, unter den Gefangenen Landsleute anzutreffen, und freute
fien scbon im voraus darauf, wie er ihnen Gutes thun wollte.
Doeh nahm er, wenn Leine Deutsche da waren, auch mit
pranzosen vorlieb und erleichterte ihnen, bis sie weiter gefũhrt
wurden, ihr PElend nach Rräften.
Diesmal aber, als er mitten unter so viele teure Lands-
leute hineinriet. „dind keine Deutsche da?“ — er mubte zum
Meiten NMale fragen, denn das erste Mal konnten lie vor
Staunen und Uugewibheit nicht antworten, sondern das sübe
qeutsene Wort uet in Rubland erklang in ĩihren Ohren vwie ein
Narfenton - da tonte die Antwort zurũck: „Deutsehe genug!
i un von jedem erfragte, woher er lei. — er ware mit
Mecklenburgern ind Kursachlen auch zufrieden gewesen — und
det eine lagte: „Von Mannheim am Bheinstrom!“ (als wenn
der donneider nicht vor bn gewubt hätte, vo Mannheim liege),
der andere. „Von Bruchsal“, der dritte: „Von Heidelberg?, der
vierte: „Von Gochsheim“, — da zog es wie ein warmes, auf-
loscudes Tauwetter durcn ihn hindurch. „Und ieh bin von
Bretten,“ sagte er, „Pranz Anton EPgetmaier aus Bretten,“ und
Deutsches Lesebuch, VI.
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