Full text: [Teil 6 = Oberstufe 2, [Schülerband]] (Teil 6 = Oberstufe 2, [Schülerband])

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Das höchste Reichsamt nach dem Kaiser bekleidet der Reichs— 
kanzler. Er wird vom Kaiser ernannt, unterzeichnet alle Anord— 
nungen desselben und ist allein dafür verantwortlich; er führt den Vorsitz 
im Bundesrat und hat die oberste Leitung aller Reichsgeschäfte. — 
Der oberste Gerichtshof im ganzen deutschen Reich ist das Reichs— 
gericht in Leipzig. Es hat zu entscheiden, wenn in bürgerlichen Rechts— 
streitigkeiten oder in Strafsachen Berufung gegen die Urteile der Ober— 
landesgerichte eingelegt wird. Nur vor dem Reichsgericht können An— 
klagen wegen Landesverrats und Hochverrats zur Verhandlung und 
Aburteilung kommen. 
So ist das neue deutsche Reich aufgebaut. Fest gefügt nach innen 
und stark bewehrt nach außen, bietet es die Bürgschaft, daß es unter 
der kräftigen und weisen Führung seines Kaisers zunehme „an den 
Gütern und Gaben des Friedens auf dem Gebiete valerländischer Wohl— 
fahrt, Freiheit und Gesittung“. Für dich aber und jeden Deutschen 
erwächst daraus die Pflicht, treu dem Vaterlande anzuhängen, seine 
gesetzlichen Einrichtungen zu achten, die Anordnungen der Obrigkeit zu 
unterstützen und so das Wohl des Ganzen zu fördern, eingedenk der 
Worte des Dichters: 
Ans Vaterland, ans teure, schließ dich an! 
Das halte fest mit deinem ganzen Herzen! 
194. 
Kaiser Wilhelm J. 
Kaiser Wilhelm J. wurde am 22. März 1797 als zweiter 
Sohn König Friedrich Wilhelms III. und seiner unvergeßlichen 
Gemahlin Luise geboren. Die edle Mutter pflanzte schon frühe 
den Sinn für alles Gute und Schöne in des Prinzen Herz, und 
da er gute Geistesanlagen besaß und mit Fleiß und Gewissen— 
haftigkeit lernte, so bereitete er seinen Eltern viele Freude. Im 
Frühjahr 1808 konnte die Königin an ihren Vater schreiben: 
„Unser Sohn Wilhelm wird, wenn mich nicht alles trügt, wie 
sein Vater: einfach, bieder und verständig.“ Aus den heißen 
Thränen der Mutter, wie aus dem ernsten Antlitz des Vaters 
las der kleine Prinz fast täglich, welch schweres Unglück auf dem 
Vaterlande ruhte, und ein liefer, unauslöschlicher Eindruck blieb 
ihm sein ganzes Leben lang aus jener unglücklichen, bedrängten Zeit. 
Schon mit dem zehnten Lebensjahre wurde er dem Heere eingereiht, 
indem sein Vater ihn am Neujahrstage 1807 zum Offizier ernannte. 
Beim Beginn des Befreiungskriegs durfte der Prinz wegen seiner 
schwächlichen Gesundheit noch nicht mit in den Kampf ziehen. Nach 
der Schlacht bei Leipzig aber schloß er sich dem nach Frankreich 
vorgehenden Heere an und zeigte sich so mutvoll und tapfer, daß
	        
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