Full text: Mit erläuternden Abbildungen aus den Gebieten der Erd- und Naturkunde und der Geschichte, wie mit geschichtlichen und literaturgeschichtlichen Charakterköpfen nach Originalzeichnungen (Theil 4, Abtheilung 1, [Schülerband])

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5. Die Martinswand. 
4. Jetzt über Steingerölle, jetzt über tiefe Gruft, 
jetzt kriechend hart am Boden, jetzt fliegend durch die Luft! 
Und jetzt? — Halt' ein, nicht weiter! Jetzt ist er festgebannt, 
Kluft vor ihm, Kluft zur Seite, und oben jähe Wand! 
5. Der Aar, der sich schwingt zur Sonne, hält hier die erste Rast, 
des Fittigs Kraft ist gebrochen, und Schwindel hat ihn erfaßt; 
wollt einer von hier zum Thale hinab ein Stieglem bau'n, 
müßt, traun, ganz Tyrol und Steyer die Steine dazu behaun. 
6. Wohl hat die Amm' einst Marxen erzählt von der Martinswand, 
daß schon beim leisen Gedanken das Aug' in Nebeln schwand; 
jetzt kann er's seh'n, ob dem Bilde sie treue Farben geborgt; 
daß er's nicht weiter plaud're, dafür ist schon gesorgt. 
7. Da steht der Kaisersprosse, Fels ist sein Throngezelt, 
sein Scepter Moosgeflechte, an das er schwindelnd sich hält! 
auch ist eine Aussicht droben, so weit und wunderschön, 
daß ihm vor lauter Schauen die Sinne fast vergehn. 
8. Tief unten liegt das Innthal, ein Teppich lustig grün, 
wie Fäden durch's Gewebe, zieh'n Straß' und Suom dahin. 
Die Bergkolosse liegen rings eingeschrumpft zu Hauf 
und schau'n wie Friedhofhügel zu Maxen mahnend auf. 
9. Jetzt stößt er, Hilfe rufend, mit Macht hinein in's Horn, 
daß es in den Lüften gellet, als dröhnte Gewitterzorn; 
ein Teufelchen, das kichert im nahen Felsenspalt; 
es dringt ja nicht zum Thale des Hilferufs Gewalt. 
10. In's Horn nun stößt er wieder, daß es fast platzend bricht; 
ho, ho, nicht so gelärmet! Da hilft das Schreien nicht; 
denn liebte ihn sein Volk nicht, was er auch bieten mag, 
Herr Max, er bliebe sitzen bis an den jüngsten Tag! 
11. Was nicht das Ohr vernommen, das hat das Aug' gesehn; 
die unten sah'n ihn schweben auf pfadlos steilen Höh'n. 
Gebet und Glocken rufen für ihn zum Himmelsdom, 
von Kirche zu Kirche wallfahrt der bange Menschenstrom. 
12. Jetzt an dem Fuß des Felsens erscheint ein bunter Chor, 
ein Priester inmitten, weisend das Sakrament empor. 
Mar sieht nicht das bunte Wimmeln auf ferner Thalesflur, 
er sieht das bliende Glänzen der Goldmonstranze nur. 
13. „Fahr' wohl nun, Welt und Leben! Schwer fällt der Abschied mir. 
O unerforschlich Wesen, du winlst, ich folge dir! 
Ich schien ein Baum voll Blüthen, — dein Blitz hat ihn erschlagen, — 
ach gerne hätt' er früher noch süße Frucht getragen! 
14. Ich schien ein Bauherr, thürmend den Dom zu deinem Ruhm; 
nicht durft' er ganz vollenden der Liebe Heiligthum! 
Ein Priester, plötzlich stürzend todt an des Alars Stufen, 
er hätte gern erst Segen noch über's Volk gerufen!
	        
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