Full text: Lesebuch für die Mittelklassen der Volksschulen

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btc gar keinen Vlütenstil haben. Die Blumen sind kleinen 
Tulpen ähnlich, haben jedoch nicht sechs Blätter, sondern 
nur sechs tiefe Einschnitte am Saum und eine lange Röhre, 
die bis auf die Zwiebel hinunterreicht. So erscheint die 
Pflanze im Herbst; Blätter hat sie jetzt keine- 
Bevor also die Frucht sich entwickeln kann, tritt der 
Winter ein. Wunderbarerweise stirbt aber der Fruchtknoten 
nicht. Unter Eis und Schnee überdauert er die kalte Jahres¬ 
zeit und verwandelt sich erst im Frühlinge in die Frucht. 
Die Zeitlose ist- also der anderen Pflanzen rechtes Widerspiel. 
Diese blühen im Frühling und Sommer und bringen ihre 
Früchte im Herbste zur Reife; die Zeitlose aber blüht im 
Herbst und trägt im nächsten Frühsonimer Frucht. Eben 
darum, weil sie sich um den natürlichen Lauf der Zeiten 
nicht kümmert, heißt sie Zeitlose. — Die Frucht ist eine 
Kapsel, die aus drei Abteilungen besteht. In einer häutigen, 
aufgeblasenen Hülle stecken nämlich viele schwarzbraune, runde 
Samenkörner. Schon vor der Frucht erscheinen auch die 
Blätter. Diese sind ziemlich lang und breit, nach oben zu¬ 
gespitzt. Durch das Blatt laufen Streifen oder Adern, aber 
nicht gegen den Rand, sondern zur Spitze hin. Die glänzend 
grünen Blätter sind an vielen Orten unter dem Namen 
Schluten bekannt und werden zum Färben der Ostereier 
gebraucht, was aber sehr bedenklich ist, da hierdurch schon 
Vergiftungen stattgefunden haben. 
Das Vieh frißt die Herbstzeitlose nicht; denn dieses 
sonderbare Gewächs ist eine der ärgsten Giftpflanzen. Alle 
Teile derselben haben einen scharfen, bitteren Geschmack. Das 
Gift bewirkt Brennen und Kratzen im Schlund und Magen, 
Übelkeit und Erbrechen, Kopfschmerz, Schwindel, Durst, 
Bauchweh und Durchfall. 
Eine Magd genoß auf Anraten eines Quacksalbers drei 
Zeitlosenblumen und starb daran. 
Lesebuch für Mittelksasien. 8. 10
	        
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