Full text: [Abteilung 2, [Schülerband]] (Abteilung 2, [Schülerband])

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Pastete ist das allerbeste, was man nur essen kann. Das hat den 
Geschmack von allerlei Fleisch und Gewürz und ist gebacken, da ist 
ein Kalbsbraten oder Schweinebraten noch nichts dagegen." „Hast du 
denn schon einmal Pasteten gegessen?" fragte Hans. „Ei, nein!" 
antwortete Grete: „aber meine Mutter stand in ihrer Jugend in 
der Stadt in Diensten, und diese hat mir oft erzählt, daß ihre Herr¬ 
schaft alle Sonntage eine Pastete gegessen hätte. Sie hat aber selbst 
niemals etwas davon bekommen; denn so etwas Kostbares essen nur 
die vornehmen Leute. Der tausend! So ein Stückchen Pastete, Hans, 
das wäre doch nicht übel! Mir wässert schon der Mund. Ick muß 
doch einmal necken: vielleicht geht neben dem Deckel ein wenig Dunst 
heraus." Indem sie an der verdeckten Schüssel roch, sagte Hans: 
„Hm, hm, versuchen möchte ich solch ein Wnnderessen auch!" — 
„Hans, Hans," ries Grete freudig, „das ist wahrlich eine Pastete! Es 
ist ja kein Mensch da, der es sehen könnte. Komm, halte einmal das 
Licht nahe! Ich will den Deckel nur halb aufdecken, und da wollen 
wir hineinsehen. Sehen werden wir doch dürfen, was es ist, und 
ganz unvermerkt ein bißchen davon versuchen! Komm, Hans, eine 
Pastete kann man nicht jeden Tag zu sehen und zu versuchen be¬ 
kommen." 
Diese Worte der Versuchung verfehlten auf Hans ihre Wirkung 
nicht. Anstatt seiner Frau mit der tüchtigen Ohrfeige zu antworten, 
war er dumm genug, sich verleiten zu lassen. Neugierig nahm er 
das Licht und hielt es näher. Die Frau ergriff den Deckel und hob 
ihn auf der einen Seite in die Höhe, und beide sahen neugierig hinein. 
Aber in demselben Augenblick sprang eine Maus heraus, und die 
Schüssel war übrigens ganz leer. Grete schrie vor Schrecken laut 
auf und warf den Deckel hin, daß er in Stücke brach. Da trat der 
Gras durch eine Seitenthür herein und sah sie noch in ihrer Be¬ 
stürzung. „Ei, ei!" sagte er, „wer hat die Schüssel denn aufgedeckt?" 
Sie standen beschämt und sahen unter sich. „Ich hatte mir vor¬ 
genommen, euch das Leben so angenehm zu machen als möglich; allein 
nun könnt ihr nicht mehr hier bleiben. Ich habe es euch vorher 
gesagt. Nun könnt ihr wieder um den täglichen Lohn arbeiten. 
Schiebt die Schuld nun nicht mehr ans Adam und Eva, da ihr euch 
selbst das sorgenlose Leben verscherzt habt." — 
Sie gingen noch in der Nacht in ihre Hütte nach dem Dorfe 
zurück und kamen zur Erkenntnis ihrer albernen Beschuldigungen.
	        
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