Full text: [Teil 8 = 8. Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 8 = 8. Schuljahr, [Schülerband])

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geschnitten, und jeder nach seiner Weise einen Zipfel dieses dureh die Puss- 
ritto der Uajestaten geheiligten Gewebes davon getragen hatte. 
Dieser wilden Belustigung sah ich nicht lange zu, sondern eilte von 
meinem hohen Standorte durch allerlei Trepperhen und Gange hinunter an 
die grosse Römerstiege, wo die aus der Ferne angestaunte so vornehme als 
herrliche Masse heraufwallen sollte. Das Gedränge war nicht gross, weil 
die Zugünge des Rathauses wohlbesetzt waren, und ieh kam glücklich un- 
mittelbar oben an das eiserne Geläander. Nun stiegen die Hauptpersonen an 
mir vorüber, indem das Gefolge in den untern Gewölbgängen zurückblieb, 
und ieh konnte sie auf der dreimal gebrochenen Treppe von allen Seiten 
und zuletzt ganz in der Nähe betrachten. 
Endlich Kamen auch die beiden Majestäten herauf. Vater und Sohn 
waren wie Menächmen) überein gekleidet. Des Kaisers Hausornat von 
purpurfarbner Seide, mit Perlen und Steinen reich geziert, sowie RKrone, 
Seepter und Reichsapfel fielen wohl in die Angen: denn alles war neu daran, 
und die Nachahmung des Altertums geschmackvoll. So bewegte er sich 
aueh in seinem Anzuge ganz bequem, und sein treuherzig würdiges Gesieht 
gab zugleich den Kaiser und den Vater zu erkennen. Der junge König 
hingegen schleppte sich in den ungeheuren Gewandstücken mit den Kleinodien 
Karls des Grosssen wie in einer Verkleidung einher, so dass er selbst, von 
Zeit zu Zeit seinen Vater ansehend, sieh des Lächelns nicht enthalten konnte 
Die RKrone, welehe man sehr hatte füttern müssen, stand wie ein über- 
greifendes Dach vom Kopfe ab. Die Dalmatica,“) die Stola,“) so gut sie 
aueh angepasst und eingenäht worden, gewährte doch keineswegs ein vor- 
teilhaftes Aussehen. Scepter und Reichsapfel setzten in Verwunderung; 
aber man konnte siech nicht leugnen, dass man Lieber eine mächtige, dem 
Anzuge gewachsene Gestalt um der günstigeren Wirkung willen damit be- 
kleidet und ausgeschmũckt gesehen hätte. 
Kaum waren die Pforten des grossen Saales hinter diesen Gestalten 
wvieder geschlossen, so eilte ich auf meinen vorigen Platz, der, von andern 
pereits eingenommen, nur mit einiger Not mir wieder zu teil wurde. 
Es war eben die rechte Zeit, dass ich von meinem Penster wieder Be— 
sitz nahm, denn das Merkwürdigste, was öffentlich zu erblicken war, sollte 
eben vorgehen. Alles Volk hatte sich gegen den Römer zugewendet, und 
ein abermaliges Vivatschreien gab uns zu erkennen, dass Kaiser und König 
an dem Balkonfenster des grossen Saales in ihrem Ornate sieh dem Volke 
zeigten. Aber sie sollten nicht allein zum Schauspiel dienen, sondern vor 
ihren Augen sollte ein seltsames Schauspiel vorgehen. 
Vor allen schwang sich nun der schöne, sehlanke Erbmarschall auf sein 
Ross; er hatte das Schwert abgelegt; in seiner Rechten hielt er ein silbernes 
gehenkeltes Gemäss und ein Streichblech in der Linken. So ritt er in den 
Scehranken auf den grossen Haferhaufen zu, sprengte hinein, schöpfte das 
) Zwillngsbrüder. ) Dalmatica, priesterliches Oberkleid, Messgewand. 
) Langes Rleid, OQhorrock.
	        
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