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Märchen.
Bauer aufbreche. Er weckte ihn schon in der frühesten Morgenstunde und
sprach: „Du hast noch einen weiten Weg vor dir. Es ist besser, wenn du dich
früh aufmachst."
Sobald der Bauer fort war, ging er eiligst in seine Stube, schloß die
Läden, damit niemand etwas sehe, riegelte dann auch noch die Türe hinter sich
zu, stellte sich mitten in die Stube, drehte den Ring um und rief: „Ich will
gleich hunderttausend Taler haben!"
Kaum hatte er dies ausgesprochen, so fing es an Taler an zu regnen, harte,
blanke Taler, als wenn es mit Mulden gösse, und die Taler schlugen ihm auf
Kopf, Schultern und Arme. Er fing an kläglich zu schreien und wollte zur Türe
springen; doch ehe er sie erreichen und aufriegeln konnte, stürzte er, am ganzen
Leibe blutend, zu Boden. Aber das Talerregnen nahm kein Ende und bald brach
von der Last die Diele zusammen und der Goldschmied mitsamt dem Gelde stürzte
in den tiefen Keller. Darauf regnete es immer weiter, bis die Hunderttausend
voll waren, und zuletzt lag der Goldschmied tot im Keller und auf ihm das viele
Geld. Von dem Lärm kamen die Nachbarn herbeigeeilt, und als sie den Gold¬
schmied tot unter dem Gelde liegen fanden, sprachen sie: „Es ist doch ein großes
Unglück, wenn der Segen so knüppeldick kommt." Darauf kamen auch die Erben
und teilten.
Unterdes ging der Bauer vergnügt nach Hause und zeigte seiner Frau den
Ring. „Nun kann es uns gar nicht fehlen, liebe Frau," sagte er. „Unser Glück
ist gemacht. Wir wollen uns nur recht überlegen, was wir uns wünschen wollen."
Doch die Frau wußte gleich guten Rat. „Was meinst du", sagte sie, „wenn
wir uns noch etwas Acker wünschten? Wir haben gar so wenig. Da reicht so
ein Zwickel gerade zwischen unsre Äcker hinein; den wollen wir uns wünschen."
„Das wäre der Mühe wert!" erwiderte der Mann. „Wenn wir ein Jahr
lang tüchtig arbeiten und etwas Glück haben, können wir ihn uns vielleicht kaufen."
Darauf arbeiteten Mann und Frau ein Jahr lang mit aller Anstrengung und
bei der Ernte hatte es noch nie so geschüttet wie dieses Mal, so daß sie sich den
Zwickel kaufen konnten und noch ein Stück Geld übrig blieb. „Siehst du!"
sagte der Mann, „wir haben den Zwickel und der Wunsch ist immer noch frei."
Da meinte die Frau, es wäre wohl gut, wenn sie sich noch eine Kuh
wünschten und ein Pferd dazu. „Frau," entgegnete abermals der Mann, indem
er mit dem übrig gebliebenen Gelde in der Hosentasche klapperte, „was wollen
wir wegen solch einer Lumperei unsern Wunsch vergeben? Die Kuh und das
Pferd kriegen wir auch so.
Und richtig, nach abermals einem Jahre waren die Kuh und das Pferd
reichlich verdient. Da rieb sich der Bauer vergnügt die Hände und sagte: „Wieder
ein Jahr den Wunsch gespart und doch alles bekommen, was man sich wünschte!
Was wir für ein Glück haben!" Doch die Frau redete ihrem Manne ernsthaft
zu endlich einmal an den Wunsch zu gehen.
„Ich kenne dich gar nicht wieder," versetzte sie ärgerlich. „Früher hast du