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tragen." Der Wehrstand sagte: „Wenn ich nicht wäre, so könnte niemand
seinen Bissen Brot ruhig essen; mir ist das Schwert an die Seite ge¬
gürtet; ich muß den Schutz handhaben." Der Nähr stand rief: „Ohne
mich hättet ihr alle beide nichts zu essen; ich muß den Acker bauen und
euch Nahrung schaffen." Da trat die Billigkeit hinzu, um sie mit ein¬
ander zu vertragen, und sagte: „Warum seid ihr uneinig? Es bleibt
ja jedem seine Ehre. Denn wenn man vom Wort Lehr-, das L, von
dem Wehr- das W und vom Nährstand das N wegthut, so steht bei allen
dreien das Wort Ehr da." ZLUmgs Lesebuch
87. Der König und der Landmaim.
1. Der Landmann lehnt in der Hätt' allein
und blickt hinaus in den Mondenschein
und schaut empor in des Königs Palast;
er weiß nicht, welch ein Gefühl ihn faßt.
2. „Ach, wär' ich ein König nur eine Nacht,
wie wollt' ich schalten mit meiner Macht;
wie ging' ich einher von Haus zu Haus
und teilte den Schlummernden Segen aus!
3 Wie strahlte dann morgens so mancher Blick
die Sonne zum erstenmal helle zurück!
Wie staunten einander die Glücklichen an
und meinten, das hab' ein Engel gethan!"
■i. Der König lehnt im Palast allein
und blickt hinaus in den Mondenschein
und schaut hinab auf des Landmanns Hau?
und seufzt in das weite Schweigen hinaus:
5. „Ach, wär' ich ein Landmann nur eine Nacht,
wie gern entriet' ich der drückenden Macht;
wie lehrt' ich mich selber die schwere Kunst,
nicht irre zu gehen mit meiner Gunst!
6. Wie wollt' ich ins eigene Herz mir sehn,
um wieder es offen mir selbst zu gestehn!
Was tausend Hände mir nicht vollbracht,
dos wollt' ich gewinnen in einer Nacht'"