Full text: [Schuljahr 5, [Schülerband]] (Schuljahr 5, [Schülerband])

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wie ein Feuer. Stehe hier und kann mich nicht wehren gegen 
den Tod, mub ihn kommen sehen mit offenen Augenl Sie 
strecken ihre Arme zum Vater aus, fordern Hilfe und Erbarmen 
von ihm! Das schneidet mit tausend Messern, ist das Schreck- 
lichste, was ein Mann erleben kann. 
In seinem blassen Gesicht war ein grausamer Schmerz zu 
lesen, der plötzlich seine undurchdringliche Ruhe überwältigte. 
Sind wir denn wirklich verloren, sens? rief ich und der Mut, 
der ihn verlieb, kam über mich. Das Haus steht noch fest, 
in kurzer Zeit mub die Flut ablaufen, das Argste ist schon jetzt 
vorüber. 
Nein!l sagte er, das Argste kommt noch. Was wibt Ihr 
davon? Das Haus wankt, die Warst ist zur Hälste lortgeschlagen. 
die Stũtzen liegen blob, die Wellen heben die Bretter unter unsern 
Füßen — und nun seht dort hinaus! Seht Ihr den schwarzen 
Berg, der sich über das Meer ausdehnt wie ein Ungeheuer, das 
in die Wolken hinauf will? Das ist die hohe Flut, sie rolh 
gegen uns auf und kein Leben kann ihr entkommen. 
Als ich der Richtung seiner Hand folgte, stockte mein Blut 
vor Schrecken. In der Ferne, wo Mondschein und Meer im 
Dãmmerlichte verschmolzen, ssstieg ein dunkles, bewegliches 
Gebirge empor, das mit fürchterlicher Geschwindigkeit uns zu 
nahen schien. Es war die höchste Flutwelle, die der Sturm 
vor sich hertrieb und sie zusammengeballt hatte gleich einem 
Keil, den er mit unwiderstehlicher Gewalt gegen alle Küsten 
und Deiche schleuderte. Und ihm voraus höhlte sich die Tiefe 
vor seiner Macht und bildete ein schwarzes Tal, aus welchem 
die Wogen sich ausbäumten, kämpfend gegeneinander stürzten 
und zerstãubten um wieder zusammenzuflieben und mit erhöhter 
Kraft aui uns zu fallen. Schmetternd schlugen sie gegen die 
Westseite des Hauses, bedeckten uns mit ihrem Gischt, rissen 
die Bretter des Bodens los und der ganze Bau wankte und krachte, 
daß ich die Augen schlob und den Balken umklammerte, an 
dem ich stand. Aber es war noch nicht so weit, noch hielten 
die Bänder; nur an den Seiten waren die Pfähle fortgerissen 
und westlich hatte sich das Dach schief herabgesenkt. Aus 
meiner Betäubung wurde ich dureh sensens Stimme geweckt, 
die das Gekreisch der Weiber und Kinder übertönte, und als ich 
die Augen aufschlug, sah ich den kühnen Mann rasch über das 
sinkende Dach laufen. Sein Knecht folgte ihm und beide waren
	        
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