143
geborenes Töchterchen, und mitten in meiner Not drang der
erste Schimmer einer Freude wieder in mein Herz, als ich noch
Lebens warme in ihm fuünlte. Muhsam löste ich sein Hãändchen,
zog es empor zu der Mitte der Dieme, rib Schlamm und Heu
son und bettete seinen kleinen Leib, so gut ich konnte.
Soch Siden saben wir dann beide allein in Furcht uncl
Finsternis, bis der Morgen heranbrach, sechs lange, schreck-
liche Stunden, deren Qualen nicht zu schildern sind. Mit dem
letzten Wogenschwall der hohen Flut, unter welchem Jensens
Haus zusammensank, war der Sturm gebrochen, die Wut der
vereinten Elemente erschöpit. Als der Tag kam, war das Was-
ser in sein Reich zurückgekehrt, die Warit lag zerwühlt und
zerspült vor uns. Ein paar Balken steckten schief in dem
Hugel und die Hallig, von tielem Schlamm bedeckt, von ein-
gefressenen Buchten und Rinnen zerschnitten, trat grau aus
dem Meere hervor. Das Kind lag unter meinem nassen Rocke
iest eingeschlafen, mich gchũttelte der Frost im Fieber; doch
vergebens wart ich meine Blicke umher: kein Boot, kein leben-
des Wesen zeigte sich, ich wubte nicht, ob es noeh Menschen
gab, die diese Nacht uberlebt hatten. Endlich konnte ich es
nicht länger ertragen, ich glitt an der Dieme nieder und kletterte
durch Schlamm und Schutt an der Wartt hĩnaut. In einer
Bucht, die das Meer gehöhlt, spielten die VWellen mit den bun⸗
len Fetzen eines Kleides, und als ich näher trat allgütiger
Gottl da lagen sie, wie ich sgie zuletzt gesehen: sens, die
Frau, die beiden Kinder, sest umschlungen, blab, kalt und tot,
und rund umher die Trümmer ihres Glücks, Gebãlk und Steine
des Hauses, in dessen Frieden sie gewohnt, samt den Leibern
der äleinen Herde, welche sie ernährt hatte. Es war ein banger,
trauriger Tag, voller Meh und herzzerreibender Klagen. Hun-
deite von Menschen waren auf den Halligen umgekommen,
viele auf den Inseln und in Dithmarschen, noch viel mehr
hatten nur das nackte Leben behalten. Die Deiche brachen,
dic Marschen standen voll Wasser; ich aber lag sechs VWochen
auf meinem Krankenlager, so lange hielt das Fieber mich nieder.
Und das Kind? fragte ich; was ist aus dem Kinde ge-
worden?
Das ist mein herzliebstes Töchterchen bis aui diese Stunde,
sagte der alte Mann stol⸗ und erireut. leh habe sie grob—
gezogen, dann hat sie einen wackern Mann genommen; mit