Familienleben. 205
und Schwaben ihre Klöße und Knödel. Würstel und mageren Fleischgerichte
vermissen; auch der Hasenpfeffer ist in Mecklenburg nicht bekannt und die Buch-
Weizenklöße und Pfannkuchen aus dem Mehl der Moorhirse haben aus größter
Nähe hier keinen Eingang gefunden. In der That sind Kartoffeln und Speck
die Hauptbestandteile des bäuerlichen Tisches, doch bilden sie allein nicht die
auf den Tisch kommenden Gerichte, sondern der Garten enthält noch mancherlei
Kraut und Wurzeln, die mit dem Speck, das übrigens nicht regelmäßig „fettes
Speck", sondern Fleisch mit Fett ist, mit Graupen, Erbsen und Kartoffeln das
sogenannte „zusammengekochte Essen" zu einem ebenso schmackhaften als ge-
fuuden Gericht machen. Schweinefleisch ist allerdings das meist beliebte, weil
es das fetteste ist, und bei seiner anstrengenden Arbeit in rauher Luft bedarf
der Bauer des Fettes als der am meisten Wärme erzeugenden Nahrung. Ein
Hammel wird selten geschlachtet, eine Kuh noch seltener, und Geflügel kommt
nur bei besonders festlichen Gelegenheiten, und dann auch noch nicht gebraten,
sondern in Suppe gekocht, auf den Tisch. In Ansehung des Schweinebratens
teilt der Mecklenburger aber den Geschmack des Jrländers, dem, und zwar
selbst dem wohlhabendsten, kein Braten über jenen geht. „Göösbraden sall
de best sin, äwer Swinsbraden is't", lautet das entscheidende Sprichwort; und
ein echtes mecklenburgisches „Schwarzsauer", sei es vom Schwein oder von
der Gans, kann sich vor dem sächsischen und schweizerischen Hasenpfeffer wohl
sehen lassen. Lieber als die Kartoffeln, Graupen und Erbsen ist dem Landmann
aber das köstliche Schwarzbrot, das die Bäuerin selbst aus ungesichtetem Roggen-
mehl bäckt, und das sich mit dem Speck zu einer für den gesunden Magen vor-
züglichen Nahrung ergänzt. Der von seinem Hause entfernt arbeitende Tage-
löhner lebt wochenlang, mit Ausnahme des Sonntags, von nichts anderm.
Er trinkt dazu seinen Milchkaffee, der meistens von mehr Zichorie als von
Kaffeebohnen gekocht wird, und unter Umständen einen „Schluck", d. h. Schnaps,
oder ein säuerliches selbstbereitetes Dünnbier. Wasser trinkt er nur beim größten
Durst oder bei größter Dürftigkeit. „Wat sall dat Water in de Buk? ik mag't
nich mal m'n Stäwel Hebben" sagt er. — Im allgemeinen sitzt der Bauer
gern lange und gemächlich bei Tische, und die Tendenz, mit der er speist, ist
die, sich womöglich einen Bauch anzuessen. Seine hygieinische Ansicht ist die,
daß ein Mensch, der keinen Bauch besitzt, nicht mehr lange am Leben bleiben
könne; er thut sich daher auf seinen Speckbauch etwas zu gute. In dieser Be-
ziehung stehen übrigens die schwarzen Bauern des nordöstlichen Mecklenburg
in Gegensatz gegen die übrigen; sie sind meist schlanke, oft hagere und hohe
Leute, und ihre diätetische Regel lautet:
„Den Kopp Holl köhl, de Föte warm,
Slag' nich to veel in die Gedärm,
De Achtepuurt lat apen stahn,
Denn brukst du nich to'n Arzt to gahn."
Die Feste des Bauern in Mecklenburg können ebenfalls als Zeugnis für
seine konservative Lebensanschauung dienen; er kennt keine andern Feste als
die von der Kirche geheiligten, die er mit seiner christlichen Bildung vordem
in das Land gebracht hat. Wie seine Religiosität eine tief innerliche ist, die
ihm bei jedem Anlaß seiner eignen Gebrechen und sündhaften Natur und der
Macht und Gnade seines Gottes gedenken läßt, die ihn sich in Geduld fassen