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105. Goldene Worte einer edlon Rönigin.
Nach dem Zusammenbruch des preubischen Staates schrieb
Königin Luise an ihren Vater, den Herzog von Mecklenburg,
kolgendes:
Bester Vater!
Mit uns ist es aus, venn auch nicht für immer doch für jetzt.
Für mein Leben hoffe ich nichts mehr. Ich habe miceh ergeben,
und in dieser Ergebung, in dieser Fügung des Himmels bin ich
jetzt ruhig geworden und in soleher Ruhe, wenn auch nieht irdiseh
glücklich, doch, was mehr sagen vwill, geistig glückselig. Es wird
mir immer klarer, dab alles so Kommen mubte, wie es gekommen
ist. Die göttliche Vorsehung leitet unverkennbar neue Wolt-
zustände ein und es soll eine andre Ordnung der Dinge werden,
da die alte sich überlebt hat und in sich selbst als abgestorben
zusammenstürzt. Wir sind eingeschlafen auf den Lorbeeren
Friedrichs des Groben, welcher, der Herr seines Jahrhunderts,
eine neue Zeit schuf. Wir sind mit derselben nicht fortgeschritten,
deshalb überflügelt sie uns. Das sieht niemand klarer ein als der
Kõnig.
Gewib wird es besser werden: das verbürgt der Glaube an
das vollkommenste Wesen. Aber es kann nur gut werden in der
Welt dureh die Guten. Deshalb glaube ich auch nieht, daß der
Kaiser Napoleon Bonaparte fest und sicher auf seinem, jetzt
freilich glanzenden Throne ist. Fest und ruhig ist nur allein Mahr-
heit und Gerechtigkeit und er ist nur politisch, das heißt klug,
und er richtet sioh nicht nach ewigen Gesetzen, sondern nach
Umstanden, wie sie nun eben sind. Damit befleckt er seine Re-
gierung mit vielen Ungerechtigkeiten. Er meint es nicht redlieh
mit der guten Sache und mit den Menschen. Er und sein ungemes-
sener Ehrgeiz meint nur sich selbst und sein persönliches Interesse.
Man mub ihn mehr bewundern als man ihn lieben kann. Er ist
von seinem Glück geblendet und er meint alles zu vermögen.
Dabei ist er ohne alle Mäbigung, und wer nicht Mab halten Lkann,
verliert das Gleichgewicht und fällt.
Gern werden Sie, lieber Vater, hören, daß das Unglück,
welehes uns getroffen, in unser eheliches und häusliches Leben
nieht eingedrungen ist, vielmehr dasselbe befestigt und uns noch
werter gemacht hat. Der König, der beste Mensceh, ist gütiger als
je. Mehr in Handlungen, wie er ist, als in Worten ersehe ich die
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