Object: Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt

446 II- Lehrende Prosa: Philosophische Propädeutik, Pädagogik und Ethik. 
Mißbrauch mit der Zeit zum guten Gebrauche um; durch Extreme und 
Schwankungen zu beiden Seiten wird notwendig zuletzt die schöne Mitte 
eines dauernden Wohlstandes in einer regelmäßigen Bewegung. Nur was 
im Menschenreiche geschehen soll, muß durch Menschen bewirkt werden; 
wir leiden so lange unter unserer eigenen Schuld, bis wir, ohne Wunder 
der Gottheit, den bessern Gebrauch unserer Kräfte selbst lernen. 
Also haben wir anch nicht zu zweifeln, daß jede gute Thätigkeit des 
menschlichen Verstandes notwendig einmal die Humanität befördern müsse 
und befördern werde. Seitdem der Ackerbau in Gang kam, hörte das 
Menschen- und Eichelnfressen auf; der Mensch fand, daß er von den süßen 
Gaben der Ceres humaner, besser, anständiger leben könne als vom Fleische 
seiner Brüder oder von Eicheln, und ward durch die Gesetze weiserer 
Menschen gezwungen, also zn leben. Seitdem man Häuser und Städte 
bauen lernte, wohnte man nicht mehr in Höhlen; unter Gesetzen eines 
Gemeinwesens schlug man den armen Fremdling nicht mehr tot. So 
brachte der Handel die Völker näher aneinander, und je mehr er in seinem 
Vorteile allgemein verstanden wird, desto mehr müssen sich notwendig jene 
Mordthaten, Unterdrückungen und Betrugsarten vermindern, die immer 
nur Zeichen des Unverstandes im Handel waren. Durch jeden Zuwachs 
nützlicher Künste ist das Eigentum der Menschen gesichert, ihre Wirksam¬ 
keit verbreitet, mithin notwendig der Grund zu einer weitern Kultur und 
Humanität gelegt worden. Welche Mühe z. B. ward durch die einzige 
Erfindung der Buchdruckerkunst abgethan! welch ein größerer Umlauf der 
menschlichen Gedanken, Künste und Wissenschaften durch sie befördert! 
Wage es jetzt ein europäischer Hoang-Ti und wolle die Litteratur dieses 
Weltteiles ausrotten: es ist ihm schlechterdings nicht möglich. Hätten 
Phönizier und Karthaginienser, Griechen und Römer diese Kunst gehabt, 
der Untergang ihrer Litteratur wäre ihren Verwüstern nicht so leicht, ja 
beinahe unmöglich geworden. Laßt wilde Völker auf Europa stürmen: 
sie werden unsere Kriegskunst nicht bestehen, und kein Attila wird mehr 
vom Schwarzen und Kaspischen Meere her bis an die Katalaunischen Felder 
reichen. Lasset Weichlinge, Schwärmer und Tyrannen aufstehen, soviel 
da wollen, die Nacht der mittleren Jahrhunderte bringen sie nie mehr 
wieder. Wie nun kein größerer Nutzen einer menschlichen und göttlichen 
Kunst denkbar ist, als wenn sie uns Licht und Ordnung nicht nur giebt, 
sondern es ihrer Natur nach auch verbreitet und sichert, so lasset uns 
dem Schöpfer danken, daß er unserem Geschlechte den Verstand und 
diesem die Kunst wesentlich gemacht hat. In ihnen besitzen wir das 
Geheimnis und Mittel einer sichernden Weltordnung. 
Auch darüber dürfen wir nicht sorgen, daß manche trestlich ersonnene 
Theorie, die Moral selbst nicht ausgenommen, in unserem Geschlechte so
	        
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