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abgemacht wird, verrichtet man hier in Kähnen. Im Kahne fährt hier der Bauer 
aufs Feld, und im Kahne bringt er seine Ernte nach Hause. Ein Kahn trägt die 
Kinder zur Schule, die Erwachsenen zur Kirche, das Kind zur Taufe, die Leiche nach 
dem Friedhofe. Sind dagegen im Winter die vielen Gräben zugefroren, so schnallt 
sich jung und alt Schlittschuhe an. Die Bewohner des Spreewaldes sind Nach— 
kommen des einst so mächtigen Volksstammes der Wenden. In einigen Kirchen 
wird noch heute wendisch gepredigt und in den Schulen neben der deutschen Sprache 
auch die wendische gelehrt. 
Nördlich von dem Spreewald erstreckt sich ein Höhenzug von dem Unterlauf 
der Neiße bis zum Unterlauf der Havel. Die Landschaft an der Havel ist sehr lieb— 
lich. Bald treten die Höhen dicht an den Fluß, bald treten sie so weit zurück, daß 
neben großen Seen noch weite Wiesenflächen Platz finden. Die Havel umschließt 
sogar ein ganzes Höhenland, den Potsdamer Werder, der Berlin mit Obst versorgt. 
Hier liegt Potsdam (62 T.), die zweite Residenz der preußischen Könige. Die 
Ümgebung der Stadt mit ihren Seen, Hügeln und Wäldern ist so herrlich, daß 
man sie eine „Oase in der Wüste“ genannt hat. In der Garnisonkirche zu Potsdam 
ruht Friedrich d. Gr. Im Westen der Stadt liegt im Parke von Sanssouci 
das Lustschloß dieses Namens, der Lieblingsaufenthalt Friedrichs d. Gr. 
In der Mitte der Tieflandsmulde im sandigen Spreetal liegt Berlin 
(2,070 M., mit Vororten 3 M.), die Hauptstadt des deutschen Reiches, der be— 
deutendste Kreuzungspunkt der Landstraßen und Eisenbahnen Deutschlands, die 
größte Industriestadt des europäischen Festlandes. 
Berlin verdankt seine gewaltige Entwicklung seiner Stellung als Reichshauptstadt 
und seiner günstigen geographischen Lage. An der schiffbaren Spree gelegen, steht es 
durch Kanäle mit der Elbe und Oder und damit mit den zwei größten Häfen der Nord— 
und Ostsee und vielen Binnenstädten in Verbindung. Infolge seiner Lage in der Mitte 
der Tiefebene wurde es zum Kreuzungspunkt der wichtigsten Verkehrsstraßen. Die günstige 
Lage beförderte die Entwicklung der Industrie, die sich namentlich auf die Herstellung 
von Bekleidungsstücken, Maschinen und Möbeln erstreckt. Täglich bringen die Eisen— 
bahnen Tausende aus allen Teilen des Reiches herbei, welche die Sehenswürdigkeiten 
von Berlin betrachten wollen. 
An einem Arme der Spree liegt das königliche Schloß, dessen mit Kupfer gedeckte 
Kuppel alle anderen Gebäude der Stadt weit überragt. Es enthält mehr als 600 Säle 
und Zimmer. Im Thronsaale steht der goldene Thron, und im „Weißen Saale“ empfängt 
der König die Abgeordneten des Landes. Vom Schlosse aus gelangt man durch die An⸗ 
lagen des Lustgartens in das Museum. Darin sind Gemälde, Bildsäulen, kostbare Geräte 
und Kunstsachen aller Zeiten und Länder ausgestellt. überschreiten wir von hier aus die 
Schloßbrücke, so betreten wir die schönste Straße der Stadt, „Unter den Linden“. Sie 
ist sehr breit und mit vier Reihen Linden bepflanzt. Gleich am Anfange der Straße steht 
das Palais, das Kaiser Wilhelm J. bewohnt hat, dem Palais gegenüber das prachtvolle 
Reiterstandbild Friedrichs d. Gr. Zu beiden Seiten ist die Straße mit Palästen und vier⸗ 
bis fünfstöckigen Häusern bebaut. Hier sind die schönsten Läden der Stadt, hier wogt es 
beständig von Spaziergängern und Fremden auf und ab. Die Straße endet mit dem 
herrlichen Brandenburger Tore. Auf dem Tore steht der Siegeswagen, bespannt mit 
vier Rossen und gelenkt von der Siegesgöttin. Vor dem Brandenburger Tore erhebt sich 
auf dem Königsplatze die Siegessäule. Hier beginnt auch der Tiergarten, ein großer Lust— 
wald, der an seinem Rande mit vielen Palästen und Vergnügungslokalen versehen ist. 
Wer zum erstenmal nach Berlin kommt, ist erstaunt über die Menge Menschen und 
Wagen, die unaufhörlich die Straßen durchziehen. Droschken, Omnibusse, Pferdebahn- und 
elektrische Wagen eilen fortwährend an uns vorüber. — Berlin hat auch eine sehr besuchte 
Universität. 
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