Full text: Lesebuch für die Oberklassen der Volksschulen des Regierungsbezirkes Oberfranken

181 Kyffhausersagen 
181 
auf und sie sehen vor sich eine runde Kapelle. Der Boden war spiegel— 
glatt wie Eis und wer nicht fromm und züchtig gelebt hatte (so sagte 
später der Mönch dem Bergmann) brach hier beide Beine und kam nmie 
zurück. Die Decke und die Seitenwände des runden Gewölbes flimmerten 
beim Schein der Fackeln Große Zacken von Kristall und Diamanten 
hingen da herab und zwischen ihnen noch größere Zacken von ge⸗ 
diegenem Goͤlde. In der einen Ese stand ein goldener Altar, in der 
anderen ein goldenes Taufbecken auf silbernem Fuß. 
Der Mönch winkte nun seinem Begleiter, gerade in der Mitte stehen 
zu bleiben, und gab ihm in jede Hand eine Fackel. Er selbst ging hin 
zu einer ganz silbernen Tür, klopfte dreimal mit dem Krummstab an 
und die Tür sprang auf. 
Der Tür gerade gegenüber saß auf einem goldenen Thron der 
Kaiser Friedrich, nicht etwa aus Sten gehauen, nein, wie er leibte und 
lebte, eine goldene Krone auf dem Kopfe, mit dem er nickte, wäͤhrend 
er die großen Augenbrauen zusammenzog. Sein langer, roter Bart 
war durch den steinernen Tisch, der vor idm sland, durchgewachsen und 
reichte ihm bis auf die Füße herab. Dam Bergmann verging Hören 
und Sehen bei diesem Anbuck. 
Endlich kam der Mönch zurück und zog seinen Begleiter schweigend 
fort. Die silberne Pforte schloß sich selbst wieder zu, das eiserne Tor 
fiel mit schrecklichem Geprassel hinter ihnen zusammen. As sie den 
Nreuzgang hindurch wieder in die border— Höhle kamen, senkte sich 
langsam der kreisrunde Boden herab. Beide traten darauf und wurden 
sanft in die Höhe gehoben. 
Oben gab der Mönch dem Bergmann zwei kleine Stangen von 
einem unbekannten Erz, die er aus de Kapelle mitgebracht hatte und 
die seine Urenkel noch jetzt zum Andenken aufbewahren. 
Ferd. Bäßler. 
2. Kaiser Rotbart und der Schäfer. 
Einstmals saß ein junger Schäfer auf dem Berge. Er hatte auch 
viel von dem Kaiser gehört und gedachte bei sich, daß er ihn wohl 
einmal sehen möchte, und blies deshalb ein anmutiges Liedlein auf 
Einer Schalmei. Der Kaiser hörte das im Innern des Berges mit 
Wohlgefallen, schickte also einen der Zwerge, die um ihn waren, hinaus 
und ließ den Schäfer rufen. Unerschrocken folgte der Schäfer feinem 
Führer und blies dem Kaiser die lieblichsten Weisen vor, die er nur 
wußte. Und wie er fertig war, fragte ihn der Kaiser, ob noch die 
Raben um den Berg flögen. „Ja!“ antwortete der Schäfer. Da sprach 
der Kaiser: „So muß ich noch hundert Jahre schlafen!“ Dann zeigte 
der Zwerg dem Hirten alle Pracht der Halle, kostbare Waffen und 
Truhen von Gold, fragte ihn auch, welchen Dank er begehre, und als 
der Schäfer sagte Keinen!“ da brach er den Fuß von einem Handfasse, 
reichte ihm denselben hin und sprach: „Nimm das und geh!“ Der 
Hirte kam hinauf und der Berg tat sich wieder zu. Der Fuß des 
—— dub Behiein.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.