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197. Ein deutscher Secdampfer.
Monate dauerten, in wenig Tagen vollenden. Während sonst auf einem
Schiffe oft Mangel am Nötigsten eintrat, ist dies jetzt fast ausgeschlossen.
Die großen deutschen Ozeandampfer, die Windhuͤnde der Meere, find
schwimmende Gasthäuser geworden, die des Nachts wie Feenpaläste in
elektrischem Lichte glänzen und über die Fluten dahinrauschen. Ihre
Einrichtung bietet dem Reisenden jeden Genuß, jeden Luxus, der nur
verlangt werden kann.
Unter den Dampfern sind viele, die in erster Linie Personen be—
fördern; andere, und zwar die meisten, verschiffen Waren von einem
Lande nach dem anderen, tauschen die Produkte des einen Landes gegen
die Erzeugnisse des anderen um; die dritte Klasse der Dampfer ist ein
Zwischending, es fährt sowohl Menschen als Waren. Solch ein großer
Dampfer, wie sie Hamburg und Bremen vorzugsweise nach Nordamerika
über England und Frankreich entsenden, ist ein gar gewaltiges Schiff.
Er ist länger oft als die größten Kirchen, denn er mißt 120 bis 1803.
Er ist 20 bis 25 in breit und geht 9m tief im Wasser, während die
Aufbauten über Wasser noch hoher sind. Am besten kann man sich
einen solchen Riesendampfer an einer neuen großen Straße deutlich
machen. Diese prächtigen, schnellen Schiffe und ihre Reisen sind natürlich
sehr teuer und eine Fahrt über den Ozean kostet den Eigentümern an
200000 Mark, während ein langsamer, gleich großer Frachtdampfer nur
den dritten Teil kostet. Deshalb müssen auch die Personendampfer
danach trachten ihre 500 bis 1000 Fahrgäste zu bekommen. Solch großer
Dampfer hat für seine Riesenmaschinen 240 Ingenieure, Heißer und
Kohlenzieher und außerdem noch 210 Mann an Offizieren, Boolsleuten,
Matrosen, Verwaltern, Aufwärtern und Köchen; das sind so viel Menschen,
wie auf einem großen Kriegsschiff sich befinden. Großartig sind die
Massen, aus denen die glänzende Ausrüstung eines solchen Schiffes
zusammengesetzt ist; denn selbstredend darf nichts, was der Fahrgast
wünschen könnte, fehlen und alles muß das Schönste und Beste sein,
sonst führen die Reisenden nicht so gern gerade auf deutschen Dampfern.
— Man denke nur an die Kohlen, die solch ein Schiff verbraucht um
nach Amerika und zurück zu fahren: 3500000 Kilo, also 350 Doͤppel⸗
waggons oder J. Eisenbahnzüge mit je 50 Wagen voll von Kohlen!
Das sind große Zahlen; aber sie sollen nur daran erinnern, wie viele
Bergleute unter der Erde, wie viele ean auf den Flüssen, in den
Häfen und auf den Bahnen, wie viele Kaufleute, Unternehmer und
Handwerker jahraus, jahrein für die Ausrüstung solcher Schiffe arbeiten
und wie viele Tausende erst an der Herstellung, an dem Bau all jener
Schiffe, deren es so viele gibt und von denen es jedes Jahr neue geben
muß, beteiligt sind. Und diese Fahrzeuge sind es denn, die auf den
blauenden Fluten der Meere den friedlichen Verkehr der Völker her—
stellen und die Kunst und Wissen, Wohlstand und Gesittung von Länd
zu Land tragen. Ohne die Schiffahrt und ohne die Wohltaten der
Kultur würden heute noch in weiten Länderstrecken die Völker in bar—
barischen Zuständen leben und un ahnen und nicht wissen, welche
Schätze die Vorsehung ihnen überall, selbst im Schoße der Erde, auf—
gespeichert hat. v. Holleben.