198. Die Eisenbahnen und der Weltverkehr.
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198. Die Eisenbahnen und der Meltverkehr.
Wir haben jetzt Eisenbahnen über schmale Meeresarme in
Schottland und durch sandige Wüsten, wie zwischen Alexandrien
und Suez; sie durchschneiden die Lagunen von Venedig, erklimmen
hohe Berge wie den Rigi und Vesuv und übersteigen Alpenpässe;
sie rollen durch die weite Prärie und durch den tropischen Urwald.
In Berlin geht die Stadt. und Ringbahn hoch über dem Menschen-
verkehre hin; in London durchbraust der Zug die Tunnels unter
der Themse.
In Europa können wir bereits ununterbrochen von Madrid bis
nach Konstantinopel gelangen und von Brindisi in Süditalien bis
nach Petersburg. Rußbland hat sein Schienennetz von der Wolga
bis nach Sibirien ausgedehnt. Die Pyrenãen, der Brenner und der
Semmering sind schon überschient; der Mont Cenis Tunnel durch.
bricht die Westalpen und seit 1882 ist sogar in einer Länge von
15 km der St. Gotthard durchbrochen.
Der Gotthardtunnel gehört zu den größten Wunderwerken der
Neuzeit. Louis Favre, ein Zimmermannssohn und von Hause aus
selbst ein Zimmermann, heißt der kühne Mann, der dieses Riesen-
werk in nur acht sahren ausgesührt hat und zwar mit einem Kosten-
aufwande von etwa 200 Millionen Franken. Dieser Tunnel, der bei
Gõöschenen in der Schweiz einmündet und bei Airolo wieder aus
dem Schoße des ungeheuern Alpenberges heraustritt, verbindet
Deutschland und die Schweiz mit Italien und hat den Verkehr
zwischen diesen Ländern bedeutend erhöht. Bevor die Bahnlinie
den Tunnel erreicht, führt sie über die kühnsten Brücken, die
schãumende Gebirgswasser und Hunderte von Metern tiefe Schluchten
überspannen, hinweg, muß sie durch verschiedene Kehrtunnels all-
mãhlich die Talstufe ersteigen und in groben Windungen an steilen
helswaãnden emporklettern. Die Kehrtunnels sind äleinere Tunnels,
die in die Talwand eindringen, innerhalb des Berges im RKreise
herum stark aufsteigen und hoch oben über dem Mundloche des
Tunnels wieder ans Tageslicht treten. Wahrend auf dem sonst so
belebten Passe mit seinem weltberühmten Herbergskloster der
Wanderer in Licht und Lust der Gletscherwelt tief ausatmet, sausen
860 m tief unter seinen Füßen Eisenbahnzüge, von künstlichen
Luststrõmen begleitet und von elektrischem Lichte erleuchtet, an
den Nischen voruber, worin die einsamen Bahnwaãrter hausen, durch
den Riesenberg, der sein Gestein vor der Gewalt der Bohrmaschine
und des Dynamits öffnen mubte.
Unter allen Landern der Welt besitzen die Vereinigten Staaten
von Nordamerika das größte Eisenbahnnetz Seitdem die letzte
Schiene der Pacifichahn mit goldenem Nagel auf einer Schwelle von
Zedernholz befestigt wurde, sind Ost und West ganz nahe gerückt
wWorden. Die Pacifichahn, die über achtundvierzig Langengrade reicht,
ist ein Band, das den Atlantischen Ozean mit dem Stillen Weltmeer
verknüpft, ein Werk, das in Bezug auf Bedeutung für den Weltverseh—