Full text: Lesebuch für die Oberklassen der Volksschulen des Regierungsbezirkes Oberfranken

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207. Der Heringsfang an der Küste von Norwegen. 
207. Der Heringsfang an der Küste von Norwegen. 
Kaum gibt es ein wunderbareres Geschöpf als den Hering, dessen Ge⸗ 
schichte in den tiefsten Tiefen des großen Salzwassers noch gar nicht so genau 
orscht ist, als man wohl meinen könnte. Unter allen den kaltblütigen Ge⸗ 
schlechtern in beschuppter Haut ist das seine wahrscheinlich das zahlreichste; 
benn wer zählte die ungeheueren Schwärme, die jährlich aus den Meeres⸗ 
liefen aufsteigen, an allen Küsten des nördlichen Europas erscheinen, zu Mil⸗ 
larden gefangen werden, zu Milliarden als Beute der Raubfische erliegen 
und doch immer wieder in der gleichen zahllosen Fülle zum Vorscheine 
kommend Der Hering erscheint und verschwindet mit bewunderungswürdiger 
Regelmäßigkeit. Im Frühjahre schwimmt er an die norwegische Küste um 
zu laichen und zieht wieder ab, söbald dieses Geschäft verrichtet ist; aber es 
erscheinen im Sommer und Herbste auch andere Scharen bon solchen, die 
weder Milch noch Rogen enthalten. Und so ehn zu allen Zeiten einzelne 
unermeßliche Heere aus, bald von Schottland herüber bald in die Ostsee 
bald nach Hollands Küsten bald in die Fjorde der Finnmarken oder tief 
hinab an die norwegische und schwedische Küste, durch den Kattegat und Sund, 
und so genau ist der Mensch von ihrem Kommen und Gehen unterrichtet, 
daß er alles vorher zu ihrem Empfange vorbereiten kann. Woher sie kommen, 
wohin sie gehen, das weiß er freilich nicht, aber dem Kaufmanne ist es genug, 
wenn sie nur da sind. Und er eilt diesen Besuch zu benutzen. Der Haupl⸗ 
fang geschieht im Februar. Es ist dies die Frühlingsfischerei, sie liefert die 
größte Menge und die fetteste und zugleich größte Art des Fisches. Die 
Fischer begeden sich Ende Januar auf die Juseln hinaus, mieten Hütten und 
Plaͤthe und empfangen Vorschüsse für ihren Fang von den Kaufleuten, die 
sie mit dem, was sie nötig haben, versorgen. Sie tun sich nun in Gesell— 
schaften zusammen, lassen sich die Fischplätze anweisen, wo sie ihre Netze 
swerfen sollen, und erwarlen dann die Heringsschwärme, denen sie un⸗ 
geduldig täglich bis ins Meer entgegenfahren um den langersehnten silber⸗ 
hellen Schein in der Ferne zu entdecken, welcher das Nahen der Beute 
anzeigt. 
Noch ehe jedoch die Stunde schlägt, verkünden schnelle und s 
Wächter den Heranzug der Tiere. Einzelne Walfische streichen an der Küste 
sin Und werden mit lautem Jubel begrüßt, denn der Valfisch ist der sichere 
Verkündiger des Heringes. Es ist, als habe er den Auftrag erhalten, den 
Menschen die Bosschaft zu bringen sich züm Angriffe bereitzuhalten. Sein 
Schnauben in der ungeheueren Wasserwüste, seine Wasserstrahlen, die aus 
den Wogen fleigen und wunderbaren Springbrunnen gleich in den Lüften 
funkeln, sind seine Sprache: Gebt acht, wir liefern sie euch, seid bereit und 
fertig Hat der Walfisch seine Sendung vollbracht, so jagt er zurück zu seinen 
Gefahrten und hilft ihnen den geängstigten Hering rascher gegen die Küsten 
treiben, wo sich dieser zwischen die Inseln und Klippen drängt um grimmigen 
Feinden draußen zu entkommen und anderen noch schrecklicheren in die i 
zu fallen. Denn hier erwarten ihn die Fischer mit den Netzen. Ist der 
Fang gut, so steckt in jeder Masche des Nehzes auch ein Fisch. Dabei ist 
seine Menge so ungeheuer, daß er zuweilen eine Wand bildet, welche bis 
uf den Grund hinabreicht und von deren Druck nach oben die Boote dann 
ren Zoll aus dem Wasser gehoben werden. Sobald die Fahrzeuge ge— 
füͤllt sind, ziehen die Fischer nach Bergen, welches der eigentliche Mittelpunkt 
des Heringshandels ist.
	        
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