257 Überfall und Plünderung von Sommerhausen ꝛc.
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ihn lehren, den kaiserlichen Werbeoffizier Nikol Paradeiser und seine
tapfere Kompagnie ein Spitzbubengesindel zu nennen“, gab seinem Gaul
die Sporen, daß er einen Satz macht, und bedrohte den Veit mit ge—
schwungenem Schwerte. Nun fing auch ich an aus Leibeskräften um
Hilfe zu schreien. Es kamen auch etliche Bürger aus ihren Häusern;
da sie aber das fremde Kriegsvolk schon unter dem Tore sahen und
keine Waffen in Händen hatten, blieben sie in der Ferne stehen. Der
Alte ließ sich nicht erschrecken, sondern spreizte nach der Weise der Cands
knechte die Beine auseinander und führte mit dem Spieß einen Stoß
nach dem Pferde des Hauptmanns. Der aber hob sich in den Bügeln
auf und schlug mit dem Schwerte so über den Kopf des Wãchters, daß
dieser sogleich zu Boden stürzte. Dann schrie er: „Laßt ihn liegen, den
alten Narren, weil er's nicht anders gewollt; nur mir nach, vorwärts!“
Jetzt jagte er dem gräflichen Schlosse zu, das in der Mitle des Städt—
leins steht, und der ganze Haufen hinter ihm drein.
Mein Johannes drängte sich zitternd an mich und rief Cauft,
Vater, lauft! Sie werden uns alle umbringen!“ Aber die Kroaten
ritten an uns vorbei ohne acht auf uns zu haben. Ich lief nun sogleich
unter das Tor um nach dem Veit zu sehen. Er röchelte schwer und
mußte furchtbar leiden. Als ich seinen Namen rief, schlug er die Augen
ein wenig auf. Ich betete ihm laut vor: Herr Jesu, dir leb' ich; Herr
Jesu dir sterb ich!“ worauf er noch nickte, als wollte er Amen“ sagen,
und dann einen langen Seufzer tat, mit dem seine Seele vom Leibe schied.
Unter der SZeit waren mehrere Vachbarn herzugetreten. Wir hoben
den Leichnam auf und trugen ihn hinauf in das Torwärterstübchen.
Mein Söhnlein erzählte, es habe aus dem Weinberghäuslein ein
leises Wimmern gehört, und wie es an die Tür gekommen und hinein
geschaut, habe der Wächter und sein Sohn Klaus am Boden gelegen,
der Klaus sei voll Blut gewesen und habe kein Lebenszeichen mehr
gegeben, sein Vater aber sei mit einem Pferdegurt gebunden gewesen,
habe auch geblutet und geächzt. Neben dem Feuer hätten zwei Kroaten
gekauert und hätten die Suppe ausgegessen, die sich die beiden Wein.
berghüter gemacht. Wie sie ihn, den Knaben, erblickt, seien sie auf⸗
gesprungen, hätten ihn verfolgt und geschossen. Auf den Schuß waäre
ein Reitertrupp daher gesprengt und ihm nachgeeilt. Da er aber einen
guten Vorsprung gehabt, sei er doch vor ihnen ins Tor gekommen, wo
der alte Wächter Veit schon auf ihn gewartet.
Ich führte den Knaben schnell ins Schulhaus, schärfte meinen
Ceuten ein das Tor zu schließen und das Haus nicht zu verlassen und
eilte dann spornstreichs dem Kriegshaufen nach zum gräflichen Schlosse.
2. Auf der Straße vor dem Schloß, in dem sich auch die gräfliche
Kellerei befand, hatte sich inzwischen die ganze Bürgerschaft versammelt
und schaute erschreckt dem Unfuge zu, den das Kriegsvolk trieb. Auf—
gebrochene Kisten, zerschlitzte Betten und zerschlagene Fässer lagen im
hof umher. Während die einen in dem Schlosse und der Kellerei waren, in
Zimmern und Stuben herumhantierten, die Schlösser zersprengten und
leden Winkel durchstösberten, anden die anderen mit bloßem Degen in