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268. Deutschland nach dem Dreißigjährigen Kriege.
Hof, tranken den Wein aus ihren Sturmhauben und ließen die Fässer im
Hofe auslaufen. Wieder andere banden die geraubten Sachen in Bündel
beluden damit ihre Pferde und fluchten und zankten so gotteslästerlich, daß
der schöne Schloßhof in einen Hõoͤllenpfuhl verwandelt zu sein schien.
Jetzt zerrten der Hauptmann Paradeiser und einige seiner Spießgesellen
d Anlmann aus dem Hause in den Hof und traktierten ihn dabei
jämmerlich mit Fußtritten und Kolbenstößen. „Wo ist das Geld ?“ schrien
fie durcheinander, „wo sind die tausend Taler, die Ihr gestern von
Würzburg mit heimgebracht ? Her damit, Ihr alter Leuteschinder, oder
wenn Ihr noch länger Ausflüchte macht, wollen wir Riemen aus Eurer
Haut schneiden!“ — Der Amtmann bat um Barmherzigkeit; sie möchten's
ihm zugute halten, daß er seine Pflicht tue, das Geld sei nicht sein,
sondern der gräflichen Herrschaft, das er nimmer und nimmer hergeben
dürfe. Der Hauptmann aber warf ihn zu Boden, kniete ihm auf die
Brust, zerrte ihm die Halskrause auseinander, und indem er ihm den
Degen auf die Kehle setzte, schrie er mit schrecklicher Stimme: Voch
ein Vaterunser lang geb' ich Euch Zeit; wollt Ihr dann nicht bekennen,
fährt Euch mein Degen in den Hals, so wahr ich Vikol Paradeiser
heiße!“
Jedermann sah, daß es Ernst sei; denn an Erbarmen war bei dem
grimmigen Menschen nicht zu denken. Unter dem steifen Schnauzbart
quoll ihm der Geifer hervor und tropfte auf den Amtmann, der sich
lotenbleich unter seinen Knieen wand. „Helft, ach helft ihm, Schullehrer!“
rief des Amtmanns Frau, die mit ihrem Söhnlein jammernd in den
Hof gerannt kam; „helft, er hätt es Euch auch getan!“ — Herr Amt⸗
mann,“ rief ich über das Gitter hinüber, „gebt in Gottes Namen das
Geld her! Die Herrschaft will lieber das Geld als einen so treuen
Diener verlieren. Wir alle sind Zeugen, daß Ihr Eure Schuldigkeit
redlich getan habtl“
Nun sagte der Amtmann, man solle ihn loslassen, er wolle der
Gewalt weichen, ging mit dem Hauptmann ins Haus und gab ihm die
Geldkiste, die er in der Eile, als er das Gesindel kommen sah, unter einer
aufgehobenen Diele des Bodens versteckt hatte. Als der Hauptmann
dae Geld brachte, erhob die Bande ein lautes Freudengeschrei, sprang
auf die Pferde und war im Nu davon. Nach KNarl Heinrich Caspari.
258. Deutschland nach dem Dreibigjäührigen Lriege.
Als im Jahre 1648 die Friedensbotschaft durch Deutsehland floq und
das Dde eines Schrecklichen Rrieges verhundigte, da sah es traurig in
Memn Vaterlande aus. Fremde Herrschaften hatten die deutschen Lande
berut, anier, Wallonen, Ilaliener, Frangosen, Schrveden und Slaven
ich in einem dreißigjührigen Kampfe auf deutschem Boden herumgetummelt.
Zuei Dritteile der Bevölserung waren umgekommen. Zertretene Felder, in
Asche gelegte Dörfer und Sũdte, zerstorte Merlstãtten, durch den Erieg
ldee Menschen — das waren die Bilder des Jammers, die unser
Vaterland uberall darbot.