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3. Die Erbschaft.
mit Frau und Kindern eine unschuldige Freude gönnt im Hause oder durch
einen Gang ins Freie. Geht er aber allein ins Wirtshaus, so trägt er die
Freude aus dem Hause fort. Oertel v. Horn.
3. Die Erbschaft.
3n Hamburg lebte ein reicher Kaufmann, der mar fromm und sammelte jeden
Morgen alle seine Hausgenossen um sich, mit ihnen zu beten und ihnen aus
der Bibel vorzulesen; das sollte die rechte Stärkung für die Arbeit des Tages
sein. So stand denn morgens um den Frühstückstisch immer eine große Menge,
um sich an Gottes Wort zu erbauen: die Hausfrau und die Buchhalter und die
Ladendiener und die Mägde — alle bekamen ihr Teil von dem Brote des
Lebens, und dann gingen sie alle fröhlich und frisch an ihre Arbeit. Aber
es fehlte dem reichen Kaufmann und seiner guten Frau doch etwas zu ihrem
vollen Glücke: der Herr hatte ihnen keine Kinder gegeben. So war es ihnen
in dem großen, schönen Hause doch zuweilen recht einsam.
Eines Morgens las nun der Kaufmann den köstlichen 27. Psalm vor,
und er kam an den zehnten Vers: „Denn mein Vater und meine Mutter
verlassen mich, aber der Herr nimmt mich auf." Dabei bemerkte er
wohl, daß seine liebe Frau aufseufzete; als er aber zu Ende gelesen hatte,
falteten alle ihre Hände und beteten mit rechter Inbrunst und schlossen mit den
Worten jenes Psalms: „Harre des Herrn! Sei getrost und unverzagt
und harre des Herrn!"
Da nun ein jeder seines Weges gegangen und Mann und Frau allein
geblieben waren, brachte ein Diener viele Briefe, und darunter war einer, dessen
Aufschrift nicht geläufig, sondern steif und hart geschrieben war, wie von einem
Bauersmann oder Handwerker. Denn die Hand eines solchen ist an schwerere
Dinge gewöhnt als an die leichte Feder. Diesen Brief öffnete der Kaufniann
zuerst, und da er an der Unterschrift sah, daß er von einem guten und
frommen Bauersmann aus einem benachbarten Dorfe kam, so las er ihn seiner
Frau vor.
Der Brief aber lautete so:
„Mein Bruder in dem Herrn Jesu Christo! Gestern Abend ließ mich
unser lieber Herr Pastor, der schon einige Zeit krank gewesen war, zu sich rufen,
denn ich war ja sein nächster Nachbar. Und er war ganz allein; denn seine
drei kleinen Kinder gehen schon um 7 oder 8 Uhr zu Bette, und die Pastorin
ist ja schon vor einem Jahr begraben. Oft habe ich wohl sonst in der Kirche
das Angesicht unseres lieben Pastors leuchten gesehen; aber gestern Abend war
so etwas in seinen Zügen, als wenn die Seligen von oben ihm zugelächelt
hätten. Wir haben nicht viel geredet, aber viel gebetet, und dabei ist das
Antlitz des Sterbenden immer lieblicher geworden. Aber er hat mich zu seinem
Boten gemacht an Euch, lieber Herr, und er wollte Euch seine drei kleinen
Kinder vermachen, und Ihr solltet sie ihm aufheben und verwahren bis zum
Wiedersehen im Himmel. Übermorgen bestatten wir nun unsern guten Herrn
Pastor; und wenn Ihr dann kommen wollt und mitgehen, so will ich Euch die
drei Kleinen überantworten. Vorläufig habe ich sie zu mir genommen und
behielte sie gern; aber ich habe ja selber neun Kinder und meine Last mit ihnen,
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