194. Das Wunderland Ägypten.
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Leichnams abhängig sei, so verwandten sie auf diese die größte Sorgfalt: mit
einer Art von Asphalt, Mum genannt, balsamierten sie den toten Körper ein,
und es ist ihnen gelungen, unzählige solcher Leichname oder Mumien durch die
Jahrtausende hindurch bis auf unsere Zeit zu bringen.
Über das ganze Volk herrschte völlig unumschränkt ein der Priesterkaste
ungehöriger König, der als Stellvertreter des Sonnengottes betrachtet und des¬
halb Pharao genannt ward. Willenlos gehorchten ihm seine Unterthanen, deren
Kräfte er für ungeheure Bauwerke in Anspruch nahm; er selbst genoß göttliche
Verehrung, sodaß ein Widerspruch gegen sein Gebot nicht möglich war, aber
^nnoch ward auch er durch die heiligen Überlieferungen seiner Kaste in so enge
Lebensformen gebannt, daß ihm z. B. Art und Zeit von Essen und Trinken
3anz genau vorgeschrieben war.
Schon der König Menes, der Erbauer von Memphis (3000 vor Chr.),
und seine nächsten Nachfolger führten Werke aus, die nur durch das unermüd¬
liche Zusammenwirken vieler Tausende von Menschen erklärlich sind. Vorzüglich
waren sie bemüht, sich Todesstätten zu bauen, die nie vergehen sollten. Zwei
Meilen westlich von Memphis finden sich noch jetzt in einer Höhe von 30 m
über dem Thäte unzählige Grabkammern mit wohlerhaltenen Mumien, dazwischen
über ragen als Begräbnisplätze jener alten Könige etwa 30 Pyramiden
empor, kolossale Steinhaufen von regelmäßiger Form. Die 4 gleichen Seiten
dieser nach oben spitz zulaufenden Bauwerke liegen genau nach den 4 Welt-
Fegenden. Der Kern, worin die Mumie lag, bestand meistens aus Ziegelstein,
Um und über diesen ward dann aber eine unendliche Masse von behauenen Fels¬
blöcken getürmt. Nur ein schmaler Gang blieb in dem Baue frei, uin den
Sarg hineinzuführen; war aber der Tote bestattet, so ward der Eingang mit
großen Steinplatten verschlossen. Besonders merkwürdig sind die 3 größten
Pyramiden bei Giseh. Die großartigste von diesen hat eine senkrechte Höhe
uon reichlich 128 m, jede Seite der Grundfläche mißt 204 m. Sie ist ganz
uns regelmäßig behauenen Quadern aufgeführt. An der Nordseite befindet sich
*4 m über dem Boden der Eingang, von wo aus ein Stollen allmählich sich
nach der Grabkammer senkt; diese liegt 29 m unter der Grundfläche der Außen¬
seiten, also 157 in unter dem Scheitelpunkt und zwar lotrecht unter demselben.
Bevor der Bau dieser Pyramide begonnen ward, ließ der Pharao eine Straße
uon geglätteten Steinen vom arabischen Gebirge bis an den Nil hinab und von
ba hinauf bis auf die Felsen in der Nähe von Memphis anlegen; bloß der Bau
dieser Straße, auf welcher die Felsblöcke für die Pyramide herbeigeschafft werden
^llten, nahm 10 Jahre in Anspruch, obwohl iinmer 10 000 Männer 3 Monate
lang daran arbeiteten, bis sie durch eben so viele andere abgelöst wurden. An
der Pyramide selbst wurde dann noch 20 Jahre gebaut.
Nicht minder bewunderungswürdig sind die Werke des Königs Möris.
Einige Meilen südlich von Memphis durchschneidet eine Senkung des Bodens
die westliche Felsenkette und führt in ein Thal, welches jetzt Fajum heißt.
Durch jene Senkung ließ Möris einen Kanal graben, der das Nilwasser in
^inen großen See leitete, der nach ihm Möris benannt ward. Dieser künstliche
^ee diente als Wasserbehälter zur Regelung der Überschwemmungen, die natür-
nicht in jedem Jahr die gleiche Höhe erreichten; zugleich verwandelte er das
»ajum, das vorher ein ödes Thal war, durch die von dem See ausgehenden