Full text: Lesebuch für Mittelklassen deutscher Volksschulen (2, [Schülerband])

vn. Der Garten. 
105 
zurückgeblieben war, mußte über die Geschichte lachen, konnte 
lcht aufhbren und lachte so gewaltig, daß sie zerplatzte. Nun 
wab es ebenfalls um sie geschehen, wenn nicht zu gutem Glücke 
ein Schneider, der auf der Wanderschaft war, sich an dem 
Bache ausgeruht hätte. Weil er ein mitleidiges Herz hatte, 
holte er Nadel und Zwirn heraus und nähete sie zusammen. 
Die Bohne bedankte fich bei ihm aufs schönste; da er aber 
schwarzen Zwirn gebraucht hatte, so haben seit der Zeit alle 
Bohnen eine schwarze Nath. Grimm. 
145. Des kranken Kindes Freude. 
In der engen Straße einer großen Stadt mitten im nie— 
drigen Keller wohnte einmal ein armer kranker Knabe, der 
a bon seiner ersten Kindheit an inmer bettlägrig gewesen; 
en er einmal recht gesund war, so konnte er in dem kleinen 
Zimmer auf seinen Krüucken ein paar Mal auf- und abgehen, 
Und das war Alles. — Einige Tage im Sommer fielen die 
Strahlen der Sonne eine halbe Slunde lang auf die kleinen 
Kellerfenster, und wenn daun der Knabe da saß und sich von 
der harnen Sonne bescheinen ließ, und durch seine kleinen 
feinen Finger das Blut sah, — dann hieß es: „Ja heute ist 
r draußen gewesen.“ Er kannte den Wald in seinem wunder⸗ 
schönen Frühlingsgrün nur dadurch, daß des Nachbars Sohn 
ihm den ersten Buchenzweig brachte, und den hielt er dann 
iber seinem Kopfe und träumte, er sei unter den Buchen, wo 
die Sonne schien und die Vögel sangen. 
Elnes Fruhlingstages brachte des Nachbars Sohn ihm auch 
Feldblumen, und unter diesen war zufällig eine mit einer Wurzel, 
die wurde daher in einen Blumentopf gepflanzt und ans Fenster 
gestellt, dicht neben dem Bette. — Und die Blume war mit 
iner glücklichen Hand gepflanzt, sie nahm zu, trieb neue 
Schbsse und hatte edes Jahr ihre Blumen; sie wurde für den 
alfen Knaben der schönste Garten, sein kleiner Schatz auf 
dieser Erde. Er begoß und pflegte sie und sorgte dafür, daß 
sie jeden Sonnenstrahl bekam bis auf den allerletzten der an 
dem niedrigen Fenster vorbeiglitt; und die Blume selbst wuchs 
in seine Traͤume hinein mit ihren Farben und mit ihrem 
Dufte; — gegen sie wandte er sich im Sterben, als ihn der 
sebe Gott zu sich rief Ein Jahr ist er jett bei Gott, ein 
Jahr hat die Blume verwelkt und vergessen am Feuster ge 
sanden und nun ist sie bei einem Umzuge mit dem Kehrichte 
auf die Straße geworfen. —
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.