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10. Tod umd Scliluf.
Brũderlich umschlungen durchiandelten der Engel des Sehlummers
und der Todesengel die Erde. Es wor Abend. Ne lagerten sich auf einem
Hugel nicht fern von den Wohnungen der Menschen. Vine wehmiitige
Mille woltete vingsumher, auch das Abendglõchehen im fernen Dörflein
verstummte. Still und sclnveigend, uwie es ilre Meise ist, saßen die
beiden wonhlthũtigen Genien) der Menschnheit in traulicher DOmarmumg, und
schon nanete die Nacht. Da erhob sich der Engel des Schlummers von
seinem bemoosten Lager und streuete mit leiser Hand die unsichtbaren
Schlummerhörnlein. Die Abendhoinde trugen sie a2u den stillen Mohnumgen
des müden Landmamnes. Nin umfing der siße Schlaf die Bewohner der
ländlichen Hutten, vom Greise, der am Mabe geht, bis eu dem Siugling
in der Wiege. Der Rranmke vergaß seiner Schmeræen, der Trauernde
seines ummers, die Armutt ihrer Sorgen. Aller Augen schlosssen Sich.
Jetat, nach vollendetem Geschaft, legte sich der uoνh nq
des Schlummers wieder eu seinem ernsteren Bruder. „Wenn die Morgen-
rõte erwaeht,“ vief er mit frõhlicher Onschuld, „dunn preisen mich die
Menschen als ĩhren FPreund und Wonlthuter. O, welehe Breucde, ungesehen
und heimlich wwoννν Mie glicklich sind uwir unsiehtbaren Boten des
Aten Geistes! Wie schòn ist unmser stiller Berufl — So gruαh der freund-
Nehe Engel des Schlummers. Lhm sah der Todesengel mit stiller Weh-
mut an, umd eine Thrũme, wie die Unsterblichen sie weinen, brut in ven
großes, dumbles Auge. „Aeh,“ Sprach er, „dasßs ioh micht, wie dut, des
Frohlichen Danses mich freuen hann! Mich nennt die Erde ihren Heind
nd Freudenstörer.“ — ,0O mein Bruder,“ erwiderte der Engel des
Schlafes, ꝓird mieht aueh beim Eruwachen der Gute in dir seinen Preund
nm onithäter erlennen und danscbar dieh segnen? Nnd vwir micht
Brũder und Boten eines Paters? — So prauch er, da glũnæte das Auge
des Todesengels, und aurtlicher umfingen sich die bruüderlichen Genmien.
Fiedrieh Adolf srummdohoer.
I1. O lieb', solang' du lieben kannst.
1. O lieb', solang' du lieben kannst! 4. Und hüte deine Zunge wohl,
O lieb', solang du lieben magst! bald ist ein böses Wort gesagt!
Die Stunde kommt, die Stunde kommt, O Gott, es war nicht bös gemeint, —
wo du an Gräbern stehst und klagst. der andre aber geht und klagt.
2. Und sorge, daß dein Herze glüht
und Liebe hegt und Liebe trägt,
solang' ihm noch ein ander Herz
in Liebe warm entgegenschlägt.
3. Und wer dir seine Brust erschließt,
o thu ihm, was du kannst, zulieb!
Und mach ihm jede Stunde froh,
und mach ihm keine Stunde trüb!
5. O lieb', solang' du lieben kannst!
O lieb', solang' du lieben magst!
Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
wo du an Gräbern stehst und klagst.
6. Dann kniest du nieder an der Gruft
und birgst die Augen, trüb und naß,
— sie sehn den andern nimmermehr —
ins lange, feuchte Kirchhofsgras.
Sαν.