Leben Karls des Großen.
1. Kapitel.
Das Geschlecht der Merowinger, aus dem die Franken
sich ehedem ihre Könige kürten, erlosch, der Über¬
lieferung nach, mit König Hilderich, der unter Zustim¬
mung des Papstes Stephan1) entthront und in ein Kloster
verwiesen wurde, nachdem er des Haupt- und Bart¬
schmuckes beraubt war2). Wurde aber auch mit ihm der
letzte Herrscher des Geschlechtes zu Grabe getragen, so
hatten doch seine \ orgänger lange schon nur noch schein¬
bar als Könige geherrscht. Denn nichts als der leere
Titel eines Königs war ihnen verblieben, während Macht¬
mittel und Regierungsgewalt an die obersten Staats¬
beamten, Hausmeier genannt, übergegangen waren.
Ihnen lag fortan die Reichsregierung ob.
Nur eine Scheinmacht besaß also der König. Zu¬
frieden mit dem inhaltlosen Königsnamen, saß er in
wallendem Haupthaar und mit ungeschorenem Barte auf
dem Throne und spielte den Herrscher, indem er Gesandt¬
schaften, die aus aller Herren Ländern eintrafen, Gehör
') Wirklichkeit war es sein Vorgänger Zacharias;
vgl. S. 44.
) »Bei den fränkischen Königen war es wesentlich, den
Wuchs ihrer Locken zu nähren, sie hießen daher „die Ge¬
lockten". Das Haar scheren war so viel wie zur königlichen
Würde unfähig machen, es mußte erst wieder gewachsen sein,
sollten neue Ansprüche darauf begründet werden.“ (J.Grimm,
Deutsche Rechtsaltertümer S. 239 ft.)
Quellenschriften 6.