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mutigen Scherzen und natürlicher Liebenswürdigkeit in ihm. Solches aber
läßt sich nicht beschreiben. Wer den Vaten unter den Kindern, den Freund
unter den Freunden gesehen hat, weiß, was diese Zuthat in Gneisenau be—
deutet hat.
Arm und bedrängt war seine Jugend gewesen; nicht reich waren die
Jahre seines Mannesalters, obgleich er mit seinem Gemahl ein kleines
Rittergut erheiratet hatte. Nicht lange, und es kam die Not und Bedräng⸗
nis der bösesten Zeit. In dieser hatte er von dem Seinigen geopfert, von
dem Staate und von seinem Könige das wenigste erhalten und verlangt.
In fremden Landen als Sieger nach welscher Sitte zu plündern und zu
rauben, war preußischer und deutscher Feldherren unwürdig und wäre diesem
hochherzigen Manne unmöglich gewesen. Später hat sein König dem in
den Grafenstand Erhobenen ang bedeutende Schenkung gemacht. Er hat
sich das Glück gefallen lassen, ist aben wie in seinem früheren Zustande
immer ein Herr seines Mutes und Herzens geblieben, immer fern von
jeder Hoffart und Habsucht, großmütig, hilfreich, freigebig wie die all—
belebende Sonne und Luft. E. M Arndt.
199. (221.) Strasshurg.
(Eine Prophetenstimme aus den Befreiungskriegen.)
2. Dann wollen wir erlösen
die Sehwester, fromm und fein,
aus der Gewalt der Bösen,
die starke Burg am Rhein;
die Burg, die an den Strafsen
des falschen Prankreichs liegt,
in der nach ew'gen Malsen
Erwin den Bau gefügt.
Scehenkendorf 1814.
200. (222. Das Straßburger Münster.
Mit welcher unerwarteten Empfindung überraschte mich der Anblick, als
ich zum ersten Mal vor das Münster trat! Ein ganzer, großer Eindruck
füllte meine Seele, den, weil er aus tausend harmonierenden Einzelheiten
bestand, ich wohl schmecken und genießen, keineswegs aber erkennen und er—
klären konnte. Sie sagen, daß es also mit den Freuden des Himmels sei.
Wie oft bin ich zurückgekehrt, diese himmlisch⸗irdische Freude zu genießen, den
Riesengeist unserer älteren Brüder in ihren Werken zu umfassen! Wie oft
bin ich zurückgekehrt, von allen Seiten, aus allen Entfernungen, in jedem
Lichte des Tages zu schauen seine Würde und Herrlichkeit! Schwer ist's dem
Menschengeist, wenn seines Bruders Werk so hoch erhaben ist, daß er nur
sich beugen muß. Wie oft hat die Abenddämmerung mein durch forschende
Schauen ermattetes Auge mit freundlicher Ruhe geletzt, wenn durch sie die
unzähligen Teile zu ganzen Massen schmolzen, und nun diese einfach und
groß vor meiner Seele standen, und meine Kraft sich wonnevoll entfaltete,
zugleich zu genießen und zu erkennen! Wie frisch leuchtete er im Morgen—
1. Wie tief auch noch versunken
die alte Herrlichkeit,
in Aschen glimmt ein Funken,
wir wecken ihn zur Zeit.
Es kommt ein Tag der Rache
kür aller Sünder Haupt;
dann sieget Gottes Sache;
da schauet, wer geglaubt.