361 
39 
duftglanz mir entgegen, wie froh konnte ich ihm meine Arme entgegenstrecken, 
schauen die großen, harmonischen Massen zu unzählig kleinen Teilen belebt 
wie in Werken der ewigen Natur, bis aufs geringste Zäserchen alles Gestalt 
und alles zweckend zum Ganzen! Wie das festgegründete, ungeheure Ge— 
bäude sich leicht in die Luft hebt, wie durchbrochen alles und doch für die 
Ewigkeit! Goethe. 1771. 
201. (223.) Das Strassburger Münster in der 
Sternennacht. 
1. Am Tage stebst du still und wie verdrossen, 
die junge Welt dir um die FPüsse schwärmt; 
nur wenn von Sternenlicht du ganz umflossen, 
verkünd'st du, was Jahrhunderte dich härmt. 
2. Dann ist dein Scheitel wundersam umsehimmert 
dann stehst du wie ein Seher, eingetaueht 
in alter Zeiten Pracht, und so umflimmert 
hast du dein Klaglied in die Luft gehaucht. 
3. Dann wird's auch hell dort über deinem Rheine; 
im fernen Süden ist der Nacht entblüht 
das Freiburgmünster, das im dilberscheine 
dem einz'gen Preunde, dir, entgegenglüht. 
4. Ihr haltet Zwiesprach' dann, ihr tauscht die Klagen 
des Heimwehs um die längst vergang'ne Wolt; 
Propheten seid ihr, seht die Wunden sehlagen 
und wisset, was das Heil gebunden hält. 
Auæg. Stöber. 
202. (224.) Auf Priesens Tod). 
1. Wohl viele sind gepriesen 
im hehren deutschen Land; 
doch dieh, mein frommer Priesen 
hat Gott allein gekannt! 
Was blühend im reichen Herzen 
die Jugend so lieblich versehlols, 
ist jeglichem Laut der Schmerzen, 
ist joeglehem Lobe zu grols. 
9) „RKarl Friedrieh Friesen aus Magdeburg, ein rechtes Bild ritterlicher und 
jungfrüulieher Unschuld, mit Schönheit, Kraft und Wissenschaft gerüstet, gleieh 
geübt in der Kunst der geistigen und der leiblichen Waffen, fiel als Leutnant von 
der Reiterei der Lützowsehen Greischar in Frankreieh in einéêm Gefechte mit Bauern 
im sechsundzwanzigsten Jahre seines Lebens.“ E. M. Arndt. — „Friesen war ein 
auf blühender Mann in Jugendfülle und Jugendschöne, an Leib und Seele ohne Pebl, 
voll Unschuld und Weisheit, beredt wie ein Seher, einè Siegfriedsgestalt von grossen 
Gaben und Gnaden, den jung und alt gleieh lièb hatte; ein Meister des Schwerts 
auf Hieb und Stoss, Kurz, raseh, fest, fein, gewaltig und nieht zu ermüden, wenn 
seine Hand erst das Disen fasste; ein kühnör Schwimmer, dem kein deutscher Strom 
zu breit und zu reissend war; ein Beiter in allen Sätteln gerecht; ein Sinner in der 
Turnkunst, die ihm viel verdankt. Ihm war nieht beschieden, ins freie Land heim- 
aukehren, an dem seine Seele hing. Von welscher Tücke fiel er bei düstrer Ninter- 
nacht duren Meuehelschuss in dêèn Ardennen. Ihn hätte aueh im Kampf keines 
Sterbliehen Klinge gefällt. Keinem zuliebe und keinem zuleideée — aber wie 
Scharnhorst unter den Alten, ist Friesen von der Jugend der grösste aller Gebliebe- 
nenu. P.L. Jalun.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.