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redete Blücher mit tiefster Bewegung und Kraft seine Krieger an: „Kinder, 
wir müssen vorwärts! Es heißt wohl, es geht nicht; aber es muß 
gehen: ich hab' es ja meinem Bruder Wellington versprochen! Ich hab' es 
versprochen, hört ihr wohl? Ihr wollt doch nicht, daß ich wortbrüchig 
werden soll?“ Und so ging es denn mit allen Waffen unaufhaltsam vor— 
wärts. Es war angenommen, die Preußen würden um 2 Uhr nachmittags 
zur Schlacht kommen. Aber erst nach 4 Uhr war endlich der schwierige 
Engweg von Saint-Lambert über und durch den Bach von Lasnes zurück— 
gelegt, und nur zwei Brigaden und die Reiterei von Bülow hatten jenseits 
ihre verdeckte Aufstellung erreicht und erwarteten das Herankommen der 
übrigen. Napoleon indes war auf seiner fernen Höhe die nahenden Preußen 
gewahr geworden, hielt sie jedoch für wenig bedeutend und sandte nur an 
Grouchy den Befehl, seinen Angriff gegen das preußische Heer, das er zu 
verfolgen beauftragt war, zu derftärken. Blücher aber, der die Gefahr 
Wellingtons erkannte, gab seinerseits, ohne sich lange zu besinnen, den Be— 
fehl zum Vorrücken; er glaubte, die Wirkung fuͤr das Ganze in diesem 
wichtigen Augenblicke jeder andern Betrachtung vorziehen zu müssen. Sein 
einzelnes Unternehmen konnte scheitern, da nur erst so wenige Truppen heran 
waren; aber die Schlacht konnte dadurch zum Vorteil entschieden werden. 
Die beiden Brigaden Fußvolk und die Reiterei unter Anführung des Prinzen 
Wilhelm von Preußen drangen demnach ungesäumt zum Angriffe gegen das 
Dorf Frichemont und in den Rücken des französischen rechten Flügels vor. 
Sie zogen sich nach Maßgabe, daß die übrigen Truppen nachrückten, mehr 
und mehr links, um das Dorf Plancenois zu gewinnen, das teilweise er— 
obert wurde, doch in hartnäckigem Kampfe noch lange streitig blieb. Napoleon 
hatte sofort genauere Kunde von dem Anzuge der Preußen erlangt, doch 
noch immer nicht von ihrer Macht und Eile; erst als sie auf der Höhe von 
Saint-Lambert sichtbar wurden, ließ er gegen sie einige Regimenter seitwärts 
im Haken aufstellen. Blücher aber gab nun durch frühzeitiges Geschützfeuer 
dem Heere Wellingtons das Zeichen feiner ersehnten Ankunft; dieser Kanonen— 
donner erweckte den Engländern frohe Zuversicht, den Franzosen Staunen 
und Bestürzung. Jetzt schickte Napoleon den sechsten Heerteil, den er bisher 
noch aus dem Gefechte zurückgehalten hatte, dem Angriffe der Preußen ent— 
gegen, und es entstand ein heftiger Kampf, in welchem die beiden Brigaden 
anfangs gegen die Übermacht einen harten Stand hatten. Blücher indes 
sandte allen Truppenteilen, deren Herankommen er auf alle Weise rastlos 
beeilte, den Befehl, ihre Richtung geradezu auf die Höhe von Bellealliance 
zu nehmen, deren Gebäude über die ganze Gegend sichtbar emporragten; 
der Bach von Lasnes sollte die Stütze des linken Flügels bleibenn Der 
Kampf stand in aller Heftigkeit, als Blücher von dem General Thielmann 
die Meldung erhielt, der Marschall Grouchy habe ihn bei Wavre mit be— 
trächtlicher Truppenmacht angegriffen und suche den Übergang über die Dyle 
zu erzwingen. Wenn dies gelang, so konnte das Heer, im Fall Napolebn 
die Schlacht behauptete, zwischen zwei Feuer kommen und vernichtet werden. 
Doch Blücher befahl, alle Truppen sollten im Vorrücken bleiben, erst wenn
	        
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