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sie jedes Wort im Herzen bewegte. „Meine Tochter,“ sprach er zu ihr,
„man läßt die Tiere wieder los. Dienerin Jesu Christi, du wirst jetzt
den Preis deines Glaubens empfangen; o Jungfrau, oben im Himmel er—
warten dich alle Jungfrauen mit Kronen und Siegespalmen!“ — „O mein
Vater, in meiner Seele ist Friede und Hoffnung! Möge der wahre Gott
sich allen denen offenbaren, die ich auf Erden am meisten liebe!“
Da stürzte sich ein Löwe auf die junge Christin; der Greis sah sie
an seiner Seite zu Boden gerissen und mit den Purpurströmen ihres Blutes
die fromme Seele enteilen. Er breitete seine Hände aus über die gläubige
Jungfrau und rief: „Sei getauft im Namen des Vaters, des Sohnes und
des heiligen Geistes!“ Sie vernahm noch diese Worte, lächelte und flüsterte
mit dahinschwindender Stimme: „Wahrer Gott, ich liebe dich und glaube
an dich!“ Es war ihre letzte Rede; denn die Tatze war schon emporgehoben,
die ihre Brust zerriß. Grube.
36. (43). Der Ausbruch eines Vulkans.
Das majestätische Schauspiel des Ausbruchs eines feuerspeienden Berges
zu schildern, ist wegen der mannigfachen Wechselerscheinungen und gleichzeitigen
Begebnisse eine sehr schwierige Aufgabe. Eine Beschreibung wird nie im
stande sein, den Eindruck auch nur annähernd hervorzubringen, den der An—
blick der Erscheinung selbst verursacht.
Geraume Zeit vor dem Eintritt eines wirklichen Ausbruchs pflegen Erd—
erschütterungen das Herannahen eines solchen zu verkünden, besonders wenn
der Kratergrund seit einiger Zeit sich mehr gehoben hat und aus der Trich—
terform langsam während mehrerer Jahre anschwellend in die einer leicht
vertieften Ebene übergegangen ist. Alsdann verraten auch schon senkrecht
aus dem Krater aufsteigende, oberhalb in mannigfachen Wirbeln sich kräu—
selnde Dämpfe, welche die fruchtbare Einbildungskraft der Italiener seit
Jahrhunderten dem schlanken Wuchs der einheimischen Pinien verglichen
hat, die bis dahin schlummernde Thätigkeit der unterirdischen Mächte deut—
licher und geben den Anwohnenden ein mahnendes Zeichen, daß mit ihnen
kein dauernder, „kein ewiger Bund“ zu flechten sei. Während an manchen
Vulkanen diese Rauchsäulen, in Italien Fumarolen genannt, erst bei bevor—
stehenden Ausbrüchen sich einstellen, anfangs leichten Wasserdünsten gleichend,
hauchen andere Vulkane beständig solche Dunstmassen aus und verkünden
die Nähe eines Ausbruchs höchstens durch Vermehrung ihrer Fumarole an
Umfang und Dichtigkeit der sie bildenden Dämpfe bis zum Ansehen einer
schweren, das Haupt des Berges umlagernden Gewitterwolke. Ehe es jedoch
zu einer solchen Höhe der Ausbruchserscheinungen aus dem Krater selbst
kommt, zeigen die Entwicklung des Ausbruchs andere Zeichen in seiner Nähe
an. So vernimmt man in der Regel gleich anfangs ein eigentümliches
Getöse, das dem Zischen verdampfenden, auf glühende Kohlen geschütteten
Wassers gleicht, sich nach und nach bis zu dem Brausen gewaltsam aus
engen Mündungen strömender Dämpfe steigert und später in wirkliches
Krachen übergeht, wie wenn man fernen Kanonendonner hörte. Mit diesen