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gebend sich windet und birst und strahlenförmig nach allen Seiten von der 
Mitte des Berges aus die Ebene zertrümmert. Und diese Erschütterung 
ist es, die unter allen Ausbruchserscheinungen den Menschen am meisten 
schreckt, die ihn aus dem wirtlichen Dach in die aufgeregte Natur hinaus— 
treibt. Doch das Ende des Unheils, so schauerlich schön in seinen einzelnen 
Zügen, steht nahe bevor. Schon zeigt sich der glühende Fluß leicht gewölbt 
über den niedrigsten Stellen des Kraters; schon fließt an einzelnen Punkten 
die geschmolzene Lava herunter und schlängelt sich langsam, eine feurige, 
zähe Masse, an den Wänden des Kegels fort, die niedrigen, von ihr im 
Laufe erreichten Gesträuche entzündend, daß sie mit flackernder Flamme auf 
ihrer Fläche emporlodern. Bald folgt solchen Vorläufern der feurige Haupt— 
strom nach. Während aller dieser Erscheinungen immer mehr im Krater 
emporgestiegen, durch neue, neben den alten hervorbrechende Fluten näher 
und näher dem Rande gerückt, endlich sogar polsterartig über den tiefslen 
Stellen des Randes eine Zeit lang schwebend sinkt plötzlich von einem 
Donnergetön und heftigen Erschütterungen begleitet die glühende Lava 
herab, und in demselben Augenblicke strömt sie aus einer entstandenen Spalte 
tief unten am Fuße des Kegelberges hervor, anfangs vom Drucke der 
über der Offnung stehenden Massen selbst springbrunnenartig aufsteigend und 
immer breiter, mächtiger in die fruchtbare, von Menschen sorgfältig bebaute 
Ebene sich ergießend. Schnell windet sich dieser verheerende Fluß mit stets 
wachsender Gewalt auf der geneigten Fläche zur wirklichen Ebene hinab und 
öffnet durch den leer gewordenen Krater den elastischen Stoffen einen Aus— 
weg. Von Asche begleitet und sie mit sich fortführend steigen die Dämpfe 
einer dunklen Säule gleich hoch empor und gestalten sich oben in den Lüften 
zu jener Pinienform, die schon den ältesten Beobachtern auffiel. Dieser 
majestätische, ungeheure Aschenbaum bildet die tragische Schlußscene der ganzen 
Erscheinung; er breitet seine Krone unheilschwanger über die Ebene aus 
und bedeckt sie sich senkend mit seinem düsteren Laube auf ewig. 
Wenn endlich die Tageshelle diesen durch die großartigsten Leuchtfeuer 
nur schwach erhellten Finsternissen wieder folgt, so zeigt sich das ganze Bild 
der Zerstörung in seiner Vollendung. Alles urbare Erdreich ringsumher 
ist von aufgeschütteter Asche bedeckt; auf den Wänden des Berges und an 
seinem Fuße lagern die tausend und aber tausend Bruchstücke der zer— 
sprungenen Auswurfsmassen, und zwischen neuen Erdschichten windet sich 
der noch heiße, glühende, rauchende, ja stellenweis flammende Lavastrom im 
selbstgebildeten Bette zu einer Tiefe, in der ihm die Fallhöhe fehlt und der 
zähe Fluß in sich seinen Haltpunkt findet. Alles umher gleicht einer trost— 
losen Einöde: die grünende Pflanzendecke fehlt, die verdorrten Bäume strecken 
ihre bestäubten Äste blattlos in die düsteren Lüfte, und das tierische Leben 
hat schon längst aufgehört, hier zu schlagen, ja es hat in der glühenden 
Asche selbst die Spuren seines Daseins verloren. 
So etwa mochte der Anblick sein, als 79 Jahre nach Christi Geburt 
der Vesuv aus seinem vieljährigen Schlummer zum ersten Male wieder 
erwacht war, im Vollgefühle seiner verheerenden Kräfte 30 Quadratmeilen
	        
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