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wischt, die zerrütteten Tempel eben erst wieder aufgerichtet worden — da, 
am 24. August des Jahres 79, erfüllte sich, was das Erdbeben nur ge— 
droht hatte. Der Vesuv brach die Ruhe, deren man seit unvordenklicher 
Zeit an ihm gewohnt war; Pompeji, Herculaneum, Teglana, Stabiä, 
Oplontis, Taurania wurden mit vulkanischem Sande überschüttet, mit Lava— 
strömen überschwemmt, und sie, die früher den Saum des Meeres und des 
grünen Landes wie Juwelen geschmückt hatten, lagen plötzlich im Schoße der 
Finsternis begraben. Damals ward auch der Sarnus und ward über eine 
italienische Meile weit das Meer von Pompeji zurückgedrängt; doch sind die 
Spuren der früheren Annäherung noch heute im Erdreich zu erkennen. 
2. Wir haben aus dem Altertume selbst eine ausführliche Schilderung 
dieses grausenhaften Ereignisses in zwei Briefen eines Augenzeugen. Dieser 
Augenzeuge ist der jüngere Plinius, dessen Oheim, der berühmte Verfasser 
der Naturgeschichte, von Menschenliebe und Wissensdurst getrieben damals 
selbst den Tod gefunden hatte. Er schreibt hierüber an seinen Freund, den 
berühmten Geschichtschreiber Tacitus: „Du verlangst, daß ich Dir das Ende 
meines Oheims beschreibe, damit Du es der Nachwelt desto wahrhafter 
überliefern könnest. Ich danke Dir; denn ich weiß, daß seinem Sterben, 
wenn es von Dir gefeiert wird, unsterblicher Ruhm beschieden ist. — Er 
war zu Misenum und befehligte selbst gegenwärtig die Flotte. Am 
24. August ungefähr um die siebente Tagesstunde meldete ihm meine 
Mutter, es zeige sich eine Wolke von ungewohnter Größe und Gestalt. Er 
hatte sich gesonnt, darauf ein kaltes Bad genommen, hatte liegend gefrüh— 
stückt und studierte; er verlangt seine Sandalen und besteigt einen Plaßz, 
von dem aus jenes Wunder am besten beobachtet werden konnte. Eine 
Wolke, man wußte nicht von welchem Berge, stieg empor, deren Gestalt kein 
anderer Baum so treffend wie die Pinie bezeichnen möchte; denn wie auf 
einem sehr langen Stamm in die Höhe gehoben ging sie in mehrere Zweige 
auseinander, ich denke, weil sie von dem ersten starken Hauch emporgetrieben, 
dann, als er schwächer ward, sich selber überlassen oder auch von ihrer 
eigenen Schwere bewältigt in die Breite sich verlor, bald weiß bald 
schmutzig und gefleckt, je nachdem sie Erde oder Asche mit fortgeführt hatte. 
Die Sache schien ihm, dem so gelehrten Manne, groß und näherer Kenntnis— 
nahme wert. Er heißt einen Kahn rüsten; mir stellt er es anheim, ob ich 
mitkommen wolle. Ich antwortete, da er mir selbst etwas zu schreiben 
gegeben hatte, ich wolle lieber arbeiten. Er verließ das Haus; da erhält 
er einen Brief. Die Seeleute zu Retina, erschreckt von dem drohenden 
Unheil, — denn dieses Gut lag gerade darunter, und man konnte nur auf 
Schiffen entfliehen, — baten ihn, sie aus so großer Gefahr zu erretten. Er 
verändert seinen Entschluß: was er aus Wißbegierde begonnen, vollführt er 
mit erhabenem Sinne. Er heißt die Vierruderer ins Meer lassen und geht 
selbst an Bord, um nicht bloß in Retina sondern noch vielen — denn die 
liebliche Küste war dicht bevölkert — Hilfe zu bringen. Von wo die anderen 
fliehen, dahin eilt er und steuert geradeswegs mitten in die Gefahr hinein 
so frei von Furcht, daß er alle Bewegungen, alle Gestalten jenes Schreckens,
	        
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