60 —
60. Der Wolf und die sieben jungen Geißlein.
1. Es war eine alte Geiß, die hatte sieben junge Geißlein und hatte
sie lieb, wie eine Mutter ihre Kinder liebhat. Eines Tages wollte sie
in den Wald gehen und Futter holen; da rief sie alle sieben herbei und
sprach: „Liebe Kinder, ich will hinaus in den Wald. Seid auf eurer Hut
vor dem Wolfe; wenn er hereinkommt, so frißt er euch alle mit Haut und
Haar. Der Bösewicht verstellt sich oft, aber an seiner rauhen Stimme
und an seinen schwarzen Füßen werdet ihr ihn erkennen.“ Die Geißlein
sagten: „Liebe Mutter, wir wollen uns schon in acht nehmen, Ihr könnt
ohne Sorge fortgehen.“ Da meckerte die Alte und machte sich getrost
auf den Weg.
2. Es dauerte nicht lange, so klopfte jemand an die Haustür und rief:
„Macht auf, ihr lieben Kinder, eure Mutter ist da und hat jedem von
euch etwas mitgebracht!“ Aber die Geißerchen hörten an der rauhen Stimme,
daß es der Wolf war. „Wir machen nicht auf,“ riefen sie, „du bist unsre
Mutter nicht, die hat eine feine und liebliche Stimme, aber deine Stimme
ist rauh; du bist der Wolf.“ Da ging der Wolf fort zu einem Krämer
und kaufte sich ein großes Stück Kreide, die aß er und machte damit seine
Stimme fein. Dann kam er zurück, klopfte an die Haustür und rief:
„Macht auf, ihr lieben Kinder, eure Mutter ist da und hat jedem von
euch etwas mitgebracht!“ Aber der Wolf hatte seine schwarze Pfote in
das Fenster gelegt; das sahen die Kinder und riefen: „Wir machen nicht
auf, unsre Mutter hat keinen schwarzen Fuß wie du; du bist der Wolf.“
Da lief der Wolf zu einem Bäcker und sprach: „Ich habe mich an den